Spinnenseide für Brustimplantate: Neue Beschichtung senkt das Risiko medizinischer Komplikationen

Forschergruppe entwickelt dünne Haut aus biotechnologisch hergestellten Spinnenseidenproteinen

Brustimplantate aus Silikon kommen seit vielen Jahren in der Chirurgie zum Einsatz. Doch obwohl Silikon für derartige medizinische Anwendungen hervorragend geeignet ist, kommt es in der Folge nicht selten zu Komplikationen.

Einer Forschergruppe um Prof. Dr. Thomas Scheibel an der Universität Bayreuth ist es jetzt gelungen, die Brustimplantate mit einer dünnen Haut aus biotechnologisch hergestellten Spinnenseidenproteinen zu überziehen.

Dadurch können, wie die erfolgreich abgeschlossenen vorklinischen Tests zeigen, schmerzhafte Folgewirkungen erheblich verringert oder ganz vermieden werden. Im Fachjournal „Advanced Functional Materials“ stellen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse vor.

Seidenschicht
Die rasterkraftmikroskopische Aufnahme zeigt links die Beschichtung aus Spinnenseidenproteinen. Diese ist hier nur 900 Nanometer dick. 1 Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters, 1 Mikrometer der tausendste Teil eines Millimeters. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist im Durchschnitt rund
70.000 Nanometer dick. (Bild: Lehrstuhl Biomaterialien, Universität Bayreuth)

Implantate, deren Außenhülle aus Silikon besteht, dienen in vielen Fällen der plastischen Wiederherstellung einer Brust, die aufgrund einer Krebserkrankung amputiert wurde. Zudem sind sie unentbehrlich für Brustoperationen, die ohne vorherige Erkrankungen allein aus ästhetischen Gründen vorgenommen werden.

Wenn nun das Silikon mit einer Haut aus Spinnenseidenproteinen überzogen wird, die nicht dicker als 1 bis 5 Tausendstel Millimeter ist, werden die Funktion und die chirurgische Handhabbarkeit des Implantats dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Zugleich toleriert das körpereigene Gewebe die Oberfläche des Implantats viel besser als eine nicht beschichtete Silikonoberfläche, so dass sich das Risiko medizinischer Komplikationen erheblich verringert.

Zu diesen Komplikationen, die nicht selten in den ersten Monaten nach dem Einsatz unbeschichteter Silikonbrustimplantate auftreten, gehört insbesondere eine schmerzhafte Kapselfibrose. Dabei bildet sich um das Implantat eine Kapsel aus körpereigenem Narbengewebe, die häufig verhärtet und sich zusammenzieht. Oftmals muss sie operativ entfernt werden.

Bei diesem Eingriff muss das Implantat ausgewechselt werden. In den vorklinischen Tests mit den beschichteten Implantaten stellte sich heraus, dass die Seidenproteine die Neubildung von körpereigenem Binde- und Narbengewebe signifikant verringern. Die Kapsel, die um das Implantat herum entsteht, ist daher weniger stark und neigt auch weniger zu Verhärtungen. Darüber hinaus kommt es infolge der Seidenbeschichtung in erheblich weniger Fällen zu Entzündungsreaktionen oder zu Abstoßungsreaktionen des Immunsystems.

Grafik-Brustimplantat-Spinnenseide
Die rasterkraftmikroskopische Aufnahme zeigt links die Beschichtung aus Spinnenseidenproteinen. Diese ist hier nur 900 Nanometer dick. 1 Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters, 1 Mikrometer der tausendste Teil eines Millimeters. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist im Durchschnitt rund 70.000 Nanometer dick. (Bild: Lehrstuhl Biomaterialien, Universität Bayreuth)

Die Grundlagen für die Herstellung der Spinnenseidenproteine sowie die Beschichtungstechnologie wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Scheibel am Lehrstuhl für Biomaterialien der Universität Bayreuth entwickelt. Den Rahmen für diese Forschungsarbeiten bildeten ein Projekt des DFG-Sonderforschungsbereichs 840 „Von partikulären Nanosystemen zur Mesotechnologie“ an der Universität Bayreuth sowie ein vom Universitätsklinikum Würzburg gefördertes Vorhaben.

Bei den Spinnenseidenproteinen, welche die Verträglichkeit der Brustimplantate erheblich verbessern, handelt es sich um eADF4(C16)-Moleküle, die von der Biotech-Firma AMSilk GmbH in Martinsried mittlerweile im Industriemaßstab produziert werden. AMSilk hat auch die Implantate beschichtet und dabei die hierfür in Bayreuth entwickelte Technologie umgesetzt. Bei ihren vorklinischen Studien haben die Bayreuther Biomaterialforscher eng mit Medizinern am Universitätsklinikum Leipzig sowie wiederum mit Wissenschaftlern der AMSilk GmbH zusammengearbeitet.

„Spinnenseide mit ihren außergewöhnlichen mechanischen Eigenschaften fasziniert Forscher seit vielen Jahrzehnten“, erklärt Prof. Scheibel. „Bereits in der Antike wurden positive wundheilungsfördernde Effekte beschrieben. Mit unserer neuen Studie ist es gelungen, das Potenzial biotechnologisch hergestellter Spinnenseidenproteine beispielhaft an einer Beschichtung für Silikonbrustimplantate zu zeigen. Die Ergebnisse ermutigen uns, weitere medizintechnische Anwendungen zu verfolgen.“

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Prof. Dr. Thomas Scheibel leitet seit 2007 den
Lehrstuhl Biomaterialien an der Universität Bayreuth.

Zur Person
Prof. Dr. Thomas Scheibel leitet seit 2007 den Lehrstuhl Biomaterialien an der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth. Er gehört dem Editorial Board verschiedener Zeitschriften an und ist Sprecher des Fachausschusses „Bioinspirierte Materialien und Bionik“ der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM). Prof. Scheibel wurde u.a. mit dem Karl-Heinz-Beckurts-Preis (2008) und der Heinz Maier-Leibnitz-Medaille (2007) ausgezeichnet; 2007 war er Sieger im bundesweiten Ideenwettbewerb “Bionik – Innovation aus der Natur” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). 2013 erhielt er den DECHEMA-Preis der Max-Buchner-Stiftung.

Veröffentlichung:
Philip H. Zeplin, Nathalie C. Maksimovikj, Martin C. Jordan, Joachim Nickel, Gregor Lang, Axel H. Leimer, Lin Römer, Thomas Scheibel, ‘Spider Silk Coatings as a Bioshield to Reduce Periprosthetic Fibrous Capsule Formation’, In: Advanced Functional Materials; Article first published online: 13 Jan 2014

DOI: 10.1002/adfm.201302813

Die Publikation ist frei verfügbar (open access).

Abstract: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adfm.201302813/abstract

Kontakt
Prof. Dr. Thomas Scheibel
Universität Bayreuth
Lehrstuhl für Biomaterialien
Fakultät für Ingenieurwissenschaften
D-95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 / 55-7361
E-Mail: thomas.scheibel@uni-bayreuth.de

Source

Universität Bayreuth, Pressemitteilung, 2014-01-28.

Supplier

AMSilk GmbH
Universität Bayreuth
Universitätsklinikum Leipzig

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