Österreich: Biogas aus Agrarrohstoffen gewinnt stark an Bedeutung

Treibhausgas-Emissionen des Verkehrssektors könnten um 75% gesenkt werden

Eine Auflistung der in Österreich verfügbaren Ressourcen für Biogas, die derzeit noch theoretisch, bei entsprechender Investition aber auch praktisch nutzbar wären, präsentierte heute Univ.-Prof. Thomas Amon von der BOKU im Rahmen der Wintertagung des Ökosozialen Forums in Hollabrunn.

Eine Wissenschafter-Gruppe, die auch die Lebensmittel- und die Futterproduktion als Primäraufgabe der Landwirtschaft gewissenhaft einkalkulierte, hat dazu entsprechende Prognosen erstellt. Aufbereitetes Biogas in Erdgasqualität hat als Treibstoff besondere Chancen. Nach den neuesten BOKU-Untersuchungen könnte solches Biogas aus Agrarrohstoffen die Treibhausgas-Emissionen des gesamten Verkehrssektors um bis zu 75% – auf derzeitiger Verbrauchsbasis – reduzieren.

Biogas aus Agrarrohstoffen gewinnt in Europa derzeit stark an Bedeutung. Aktuell werden für die Biogasproduktion vorwiegend Pflanzen eingesetzt, die auch der Ernährung von Mensch und Tier dienen; beispielsweise Mais und Sonnenblumen.

Biogas stellt aber andere Anforderungen: Gesucht werden Genotypen von Kulturpflanzenarten, die eine hohe Methanernte pro Hektar bringen. Um gleichzeitig vielfältige und damit nachhaltige Fruchtfolgen zu sichern, spürte die BOKU in umfangreichen Forschungsarbeiten eine Reihe von Kulturpflanzen auf, die auch als Vor-, Haupt-, Zwischen- und Nachfrucht für die Methanbildung genutzt werden können.

“Optimale Gärrohstoff-Rationen sollen ein Ergebnis dieser auch ökologisch ausgerichteten Fruchtfolgesysteme sein”, unterstrich Amon das Ziel dieser BOKU-Forschungen. Standortangepasste Pflanzen und möglichst geschlossene Nährstoffkreisläufe seien selbstverständlich ebenso eingeplant, wie die so genannte “Kaskadennutzung”. So könnte beispielsweise das Maiskorn für die Stärkegewinnung und die Restpflanze für die Biogaserzeugung verwendet werden.

Spezialisiert oder integriert

In der vorliegenden BOKU-Arbeit wird für Österreich einerseits ein spezialisiertes Biogas-Modell vorgeschlagen, in dem 20% der landwirtschaftlichen Ackerfläche nur der Energieproduktion dienen. Der Methanhektarertrag wird mit 6.500 m3 angenommen. In einem “integrierten” System werden Nahrungs- und Futtermittel sowie Stoffe für Energie (organische Dünger, Öle, Fette, RME, Bioethanol, Biogas) produziert. Grünland und Wirtschaftsdünger werden ebenfalls verwendet. Der Methanhektarertrag wird hier mit 3.500 m3 beziffert.

Insgesamt könnten österreichweit auf dieser Basis inklusive Tierhaltung und Grünlandnutzung knapp 4,8 Mio. t ROE (Rohöleinheiten) produziert werden. Das entspricht 66% des Verkehr-Energieverbrauches, der 7,3 Mio. t ROE pro Jahr verschlingt.

Weniger CO2, mehr Arbeitsplätze

Die Nutzung dieser neuen Produktionssparte setzt große Investitionen voraus. Das BOKU-Team hat ein Jahresinvestitionsvolumen von EUR 132 Mio. für das spezialisierte und von EUR 432 Mio. für das integrierte Fruchtfolgesystem errechnet; das aber 20 Jahre lang. Der Umwelt würde Biogas aus dem integrierten System fast 70% des CO2-Ausstoßes des Verkehrssektors ersparen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Berechnung, wonach der CO2-Ausstoß pro Person/Jahr in Österreich 8,6 t beträgt. Jede in der Biogasproduktion beschäftigte Person könnte aber 1.069 bis 1.353 t CO2 im integrierten beziehungsweise spezialisierten System einsparen.

Für den ländlichem Raum sind in diesem Zusammenhang neue oder neu gesicherte Arbeitsplätze sehr wichtig. Die BOKU-Studie unterstellt für den Betrieb einer 1-MW-Biogasanlage 2.000 Jahresarbeitsstunden. Einschließlich Rohstoffproduktion und Düngung werden 3.844 Arbeitsplätze im spezialisierten und 15.064 Stellen im integrierten System errechnet. Es handelt sich dabei um Dauerarbeitsplätze, wie Amon betont. Von den Investitionskosten für Biogasanlagen würden ebenfalls stärker heimische Firmen profitieren.

Die Biogaspotentiale sind größer als bisher angenommen, so das Resümee der BOKU-Studie. Ihre Umsetzung in Ausmaß und Zeit hängt von den politischen Rahmenbedingungen, aber auch von konkret interessierten Bauern ab. Dass absolut funktionssichere (zertifizierte) Anlagen und intensive Ausbildungsmöglichkeiten für Anlagenbetreiber geboten werden, erscheint laut Amon, ebenso wichtig zu sein, “denn undichte Behälter oder gekippte Gärverläufe können erhoffte Erfolge ins Gegenteil verkehren”.

Source

AIZ.info vom 2006-02-14.

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