nova-Kongressbericht: 9th European Bioplastics Conference

Qualitäten, Kapazitäten und Nachhaltigkeit

In Köln trafen sich am 5. und 6. Dezember rund 130 Biokunststoff-Experten zur 9th European Bioplastics Conference, die unter dem Motto “Leistung durch Innovation” stand. Bei Vorträgen und Diskussionen auf dem von der Fachzeitschrift European Plastics News organisierten englischsprachigen Kongress ging es darum, was verschiedene Biokunststoffe leisten, welche Mengen heute und künftig produziert werden und wie es um deren Nachhaltigkeit (auch) als Wettbewerbsvorteil am Markt bestellt ist. Der im Rahmen der Konferenz verliehene Preis “Best Innovation in Bioplastics” ging an den brasilianischen Öl- und Chemiekonzern Braskem für die Entwicklung von Polyethylen aus Bioethanol.

Mit Interesse aufgenommen wurden die Ausführungen von Braskems Biopolymer-Chef Antonio Morschbacker, der als Hauptredner den einführenden Vortrag hielt. Das im April 2007 von Braskem erstmals produzierte Bio-Polyethylen biete genau die gleichen Möglichkeiten wie Polyethylen (PE) aus fossilen Quellen. Einziger Unterschied zu herkömmlichem PE seien weniger Promille markierter C14-Kohlenstoffatome als Tracer der biogenen Herkunft. Die monatliche Produktion der Pilotanlage liegt bei einer Tonne pro Monat für Produktproben. Die Herstellung in industriellen Größenordnungen soll im kommenden Jahr beginnen, Ende 2009 will Braskem einen jährlichen Ausstoß von 200.000 Tonnen Bio-PE erreichen. Das Unternehmen hofft, einen Aufschlag von rund 30 Prozent auf die Preise für herkömmliches PE erzielen zu können.

Den Einstieg in die industrielle Herstellung des PHA-Biokunststoffs Mirel versprach Dieter Hesse, Geschäftsführer für Telles in Europa. 2008 soll in Clinton/Iowa in den USA eine Mirel-Fabrik gebaut werden, deren Kapazität bei 50.000 Tonnen pro Jahr liegen soll. Insgesamt peilt Telles die Premium-Nische an. Derzeit, so Hesse, produziert das Unternehmen monatlich 25 Tonnen des Biokunststoffs. Von Kongressteilnehmern war allerdings zu hören, dass bisher Materialproben von Mirel in der Praxis kaum erhältlich waren.

Funktionelle PLA-Compounds: Hitzebeständig, wärmeleitend oder verformbar
Das Gros der Anwendungen von Biokunststoffe bezieht sich auf kurzlebige Verpackungen. Dass dies nicht so bleiben muss, zeigte Forschungsleiter Kazuhiko Inoue von der NEC Corporation. Seit Jahren in der Entwickung hitzebeständiger Naturfaser-Verbundwerkstoffe für Elektronikprodukte aktiv (zuletzt ein Mobiltelefon mit hitzebeständigem PLA-/Kenaf-Verbundmaterial, vgl. Meldung vom 2006-03-23), entwickelt das Unternehmen nun PLA-Verbundmaterialien mit neuen technologischen Eigenschaften: Ein Flammen-hemmendes Material aus Polymilchsäure (PLA) und ungiftigen Metall-Hydroxiden sowie Hitze-leitendes PLA-Verbundmaterial mit vernetzter Kohlefaser. Ein weiteres Material auf PLA-Basis wird bei Erwärmung auf 60 Grad verformbar und behält nach Abkühlung die neue Form. Wird das Material erneut erwärmt, nimmt es wieder seine ursprüngliche Form an. Eine mögliche Anwendung dieser ungewöhnlichen Materialeigenschaft sieht der Elektronikhersteller im Lifestylebereich, zum Beispiel bei verformbaren Lifestyle-Mobiltelefonen.

Polyole: Pflanzenöl-basierte Technologie ermöglicht kleinere Produktionseinheiten
Biokunststoffe können nicht nur bei grünen Themen und in Premium-Märkten punkten. Bei Polyolen werden Pflanzenöl-basierte Produkte auch aus ökonomischen Gründen eine Alternative zu Polyolen aus Erdöl. Die herkömmliche Polyol-Industrie ist auf sehr große und kapitalintensive Produktionsstätten angewiesen – so groß, dass neue Fabriken das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage empfindlich durcheinander bringen, wie der technische Manager für BiOH Polyols bei Cargill, Ricardo De Genova, erklärte. Auch aus diesem Grund sei seit den 1990er Jahren kaum in neue Kapazitäten investiert worden. Mit der Herstellung von Biopolyolen können kleinere Produktionskomplexe realisiert werden, die außerdem nicht in der Nähe der Erdölquellen angesiedelt sein müssen. Heute produziert Cargill BiOH-Polyole in Brasilien und den USA.

Die Vielfalt der Biokunststoffe und ihrer Anwendungen demonstrierten zahlreiche weitere Unternehmen. Ob die bei FKuR Kunststoff praktizierte Mischung verschiedener Biokunststoffe, Arkemas technisches thermoplastisches Elastomer für Renewable Pebax mit 20 bis 90 Prozent des Kohlenstoffs aus nachwachsenden Rohstoffen oder die Entwicklung von PLA mit verbesserter Hitzebeständigeit bei Purac: Immer wieder ging es um Einsatzmöglichkeiten, um besondere Qualitäten der Produkte. Am Rande der Tagung ergaben sich Diskussionen zur Verfügbarkeit von Produkten im industriellen Maßstab.

Nachhaltigkeit gefragt
Fragen der Nachhaltigkeit nahmen einen für Industriekongresse ungewöhnlich großen Raum ein. Mehrere Vorträge teilten Einzelheiten zu Ökobilanzen verschiedener Produkte mit – die Erläuterung von CO2-Bilanzen und Strategien der (erneuerbaren) Energieversorgung der Produktionsstätten gehörte sichtbar zum Pflichtprogramm der Präsentationen. Die Chancen für Biokunststoffe auf dem Markt hängen schließlich stark davon ab, wie ihre ökologische Vorteile gegenüber konkurrierenden Lösungen eingeschätzt werden.

Kompostierbarkeit kommunizieren
Kompostierbar oder nicht – diesen Unterschied müsse die Industrie den Konsumenten sehr klar machen, forderte der Biologe Degli Innocenti von Novamont, dem Hersteller der kompostierbaren Mater-Bi-Folien. Auch Ricardo De Genoca (Cargill, BiOH) findet klare Aussagen nötig. In einer aktuellen Informationskampagne nenne Cargill die biologischen Polyole “Schäume mit erneuerbarem Inhalt” (“foams with renewable content”) und bezeichne sie bewusst nicht als “grün” oder “bio”. Braskem-Vertreter Morschbacker dagegen sah kein wirkliches Problem: Die Unterscheidung sei bereits heute deutlich. Immerhin sind kompostierbare Kunststoffverpackungen durch entsprechende Symbole gekennzeichnet, auch wenn diese bisher nicht vereinheitlicht sind.

Bioplastics Award
Neben Braskem als dem Gewinner des “Best Innovation in Bioplastics Award” gewannen folgende Unternehmen Auszeichnungen in sechs Kategorien:

Weitere Informationem

(Vgl. Meldungen vom 2007-11-30 , 2007-11-02 und 2006-11-14.)

Source

"9th European Bioplastics Conference" vom 2007-12-07.

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