Kraftstoffe: Bioethanol mit Anlaufschwierigkeiten

Hohe Importquote für MERCOSUR Staaten droht hiesige Branche abzuwürgen

Nach Biodiesel drängt mit Bioethanol ein zweiter pflanzlicher Treibstoff an den Markt. Allein in Deutschland gehen dieses Jahr drei neue Großanlagen für den Agraralkohol in Betrieb. Weitere sind geplant. Doch es gibt Probleme bei der Markteinführung.

“Bioethanol wird nicht wieder vom Markt verschwinden. Der point of no return ist überschritten”, sagt Jan M. Henke, Experte vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel. Weil immer mehr Länder rund um den Globus Biokraftstoffe fördern, werde auch die Produktion des Agraralkohols im nächsten Jahrzehnt mächtig zulegen und sich bis 2020 gar vervierfachen.

Anders als in Brasilien, den USA und in einigen europäischen Nachbarländern ist Ethanol hierzulande ein junges Produkt am Kraftstoffmarkt. Erst dieser Tage nehmen drei Großanlagen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg den Betrieb auf. Künftig sollen sie aus 1,4 Mio. t Getreide (vor allem Weizen und Roggen) und aus Zuckerrüben knapp 600.000 t Bioethanol pro Jahr produzieren. Investitionsvolumen: knapp 300 Mio. €. Doch trotz der eigentlich guten Rahmenbedingungen für biogene Kraftstoffe steht die Investition auf tönernen Füßen. Denn im Rahmen von Verhandlungen über eine Neuordnung der internationalen Zuckermärkte stellt die EU den MERCOSUR Staaten Einfuhrgenehmigungen für bis zu 1 Mio. t Ethanol jährlich in Aussicht.

Für hiesige Hersteller wäre das ein ernstes Problem. Denn der global führende Erzeuger Brasilien liefert Ethanol aus Zuckerrohr für 25 cts/l nach Europa. Noch schlägt die EU 25 cts Zoll und Steuern auf, und hält die europäischen Anbieter damit im Wettbewerb. Denn sie produzieren doppelt so teuer wie die Südamerikaner. Claus Sauter, Chef der gleichnamigen Unternehmensgruppe, die derzeit in Schwedt und Zörbig zwei Bioethanolwerke mit zusammen 260.000 t jährlicher Kapazität in Betrieb nimmt, hält größere Zugeständnisse an Brasilien für verfrüht: “Wenn wir in 2010 tatsächlich 16 Mio. t Marktvolumen erreichen, könnte eine so hohe Importquote vertretbar sein, aber nicht heute”, kritisiert er. Sonst würge man die hiesige Branche ab, bevor sie richtig in Gang komme.

Das befürchtet auch die für Landwirtschaft zuständige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gerda Hasselfeldt. “Wegen der Steuerbefreiung von Bioethanol in Deutschland besteht die Gefahr, dass ein Großteil der Importe dann auf unseren Markt drängt”, so Hasselfeldt. Das sei auch ökologisch bedenklich. Schließlich könnten hierzulande umwelt- und ressourcenschonend erzeugte Rohstoffe nicht mit dem Output der riesigen Monokulturen Südamerikas konkurrieren. “Die Bundesregierung legt national immer neue und höhere Standards fest, die dann durch internationale Vereinbarungen unterlaufen werden”, so Hasselfeld. So konterkarriere man aus handelspolitischen Gründen die Entscheidung für den Aufbau einer eigenen Bioethanolindustrie.

Die Argumentation hält einer volkswirtschaftlichen Prüfung Henkes nicht stand. Sowohl ökologisch, ökonomisch und entwicklungspolitisch hält der Wissenschaftler es für geboten, den Bioethanolmarkt global zu koordinieren und so offen wie möglich zu gestalten. Vor allem die Vermeidungskosten für Treibhausgase sprächen dafür. Denn während sich eine Tonne Klimagas mit Brasilianischem Ethanol für unter 50 €/t vermeiden lasse, koste dies in Europa je nach Verfahren zwischen 200 und 600 €/t.

Gegenwärtig wirft die junge deutsche Bioethanolbranche noch ein ganz anderes Problem zurück. Die ursprünglich beabsichtigte Beimischung des Agraralkohols zu Ottokraftstoffen klappt nicht. Während in Brasilien generell 20 bis 25% des Alkohols beigemischt werden, dürfen gemäß der europäischen Kraftstoffnormen maximal 5% beigemischt werden. Doch gerade die Beimischung geringer Mengen führt zu so genannten Dampfdruck-Anomalien, die den Dampfdruck über das erlaubte Maß treiben. Besonders ausgeprägt sind die Anomalien bei Ethnolanteilen unter 2%, unproblematisch werden sie erst bei Anteilen über 10%. Deshalb verzichten die meisten Mineralölhersteller bisher ganz darauf, reinen Ethanol beizumischen. Nur wo die Logistikketten überschaubar sind und sich eine 5-prozentige Beimischung gewährleisten lässt, kommt der reine Agraralkohol in den Sprit.

Dr. Lutz Guderjahn, Geschäftsführer der Südzucker Bioethanol GmbH, setzt deshalb darauf, dass die EU ihre Kraftstoffqualitätsrichtlinie zugunsten der Ethanolbeimischung ändern wird. Allerdings führt ein Anheben der Dampfdruckgrenzwerte in eine ökologische Zwickmühle: wegen ihrer Ozonrelevanz waren die zulässigen Drücke erst im Jahr 2000 gesenkt worden. Guderjahn ist sich dessen bewusst und hofft auf einen technischen Ausweg aus dem Dilemma. “Es gibt vielversprechende Ansätze, um den Dampfdruck des Basiskraftstoffs zu senken”, erklärt er. Gelinge das, sei die 5-prozentige Beimischung auch mit der gegenwärtigen Norm unproblematisch.

Davon würde auch die Mineralölindustrie profitieren. Denn weil Bioethanol mindestens bis 2009 von der Mineralölsteuer befreit ist, winken bei einer Beimischung Gewinne, mit denen sich der zusätzliche logistische Aufwand zügig refinanzieren ließe. Selbst bei einem hoch angesetzten Einskaufspreis von 70 cts/l Ethanol würde ihnen jeder beigemischte Liter ca. 25 cts in die Kassen spülen. Bisher liegt der Einkaufspreis aber eher bei 50 cts/l, was die Gewinnmarge beim Beimischen auf 45 cts/l steigen ließe.

Es würde sich also für Ethanolhersteller und Mineralölfirmen lohnen, den Dampfdruck in den Griff zu bekommen. Allerdings pflegen sie schon heute ausgeprägte geschäftliche Beziehungen. Denn in vielen Raffinerien wird der fossile Oktanzahlverbesserer MTBE schon gegen ein pflanzliches Äquivalent auf Ethanolbasis namens ETBE (Ethyl-ter-Buthyl-Ether) ersetzt. Laut Kurt Döhmel, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Deutsche Shell Holding GmbH, mischt auch Shell seinen Ottokraftstoffen seit einiger Zeit ETBE bei: “Wir produzieren ihn in unseren Raffinerien selbst aus zugekauftem Bio-Ethanol”.

Der ETBE Produktion sind jedoch Grenzen gesetzt. Denn der zweite Grundstoff Isobuthen fällt nur in begrenzter Menge als Nebenprodukt in den Raffinerien an. Experten schätzen den Bedarf an Ethanol für ETBE deshalb auf max. 350.000 Tonnen. Solange die 5-prozentige Beimischung reinen Ethanols an den EU-Kraftstoffrichtlinien scheitert, müssen die Ethanolhersteller also nach zusätzlichen Vertriebsmöglichkeiten fahnden.

(Vgl. Meldungen vom 2005-06-29 und 2005-06-24.)

Source

VDI nachrichten vom 2005-06-24 und pers. Mitteilung von P. Trechow vom 2005-07-04.

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