Kochen mit Pflanzenöl-Brenner soll Leben retten

In den Entwicklungsländern kochen täglich zwei Milliarden Menschen mit Holz, gefährden dabei ihre Gesundheit und ruinieren die Umwelt. An der Universität Hohenheim und auf den Philippinen wurde ein alternativer Pflanzenöl-Kocher entwickelt, der weltweit verbreitet werden soll.

Der moderne Campus der philippinischen Leyte State University liegt in einem weltweit einzigartigen Naturparadies. Tatsächlich finden sich unter dem dichten Bewuchs des Regenwaldes und den Mangrovenwäldern an den Ufern der Camotes Sea rund ein Drittel aller Pflanzenarten der Philippinen. Die Insel Leyte ist zu einem Pilgerort für Global Player mit grünem Anspruch geworden.

Zuerst kamen die Autobauer, jetzt die Hausgerätehersteller

Den ökologischen Brückenschlag zwischen Schwaben und Südostasien haben die Tropenwissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart vorbereitet.

So realisierte zunächst DaimlerChrysler mit der Universität Leyte ein Projekt zu nachwachsenden Rohstoffen im Automobilbau. Aus den Fasern der lokalen Abaca-Banane werden inzwischen Bauteile wie die Ersatzradmulde der A-Klasse-Coupés gefertigt. Vergangenes Jahr wurde ein “Abaca-Verarbeitungszentrum” eröffnet, bis zu 60 Prozent Energie könnten mit der bis zu zwei Meter langen Naturfaser im Vergleich zu synthetischen Materialien eingespart werden. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln unterstützt das sogenannte “Private Public Partnership”-Projekt der Autobauer mit öffentlichen Geldern. (Vgl. Meldung vom 2005-07-07.)

Brennholz-Bedarf verstärkt die Erosion

Der Anbau der Nutzpflanzen für die Industrieproduktion soll die Erosion der steilen Berghänge auf den tropischen Inseln aufhalten. Denn um Brennholz zu gewinnen, werden weiter die Wälder abgeholzt und damit den Hängen die letzte Stabilisierung entzogen. Seit den neunziger Jahren starben auf den Philippinen mehr als 8.000 Menschen bei Erdrutschen, 70 Prozent der ursprünglichen Tropenwälder sind in den letzten 40 Jahren verschwunden.

“Genau hier setzt unser Projekt eines Pflanzenöl-Kochers an”, sagt Werner Mühlbauer, emeritierter Professor für Agrartechnik in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim. Über zwei Milliarden Menschen kochen täglich an offenen Feuerstellen anstatt mit Gas oder Strom. Bis zu 700 Kilogramm Feuerholz, das entspricht dem Gewicht eines Smart-Kleinwagens, werden in den armen Ländern für jedes Familienmitglied jährlich zur Essenszubereitung verfeuert.

Die Nebenwirkungen sind nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation fatal: Durch die giftigen Abgase und Rußpartikel aus den offenen Feuerstellen sterben jährlich mehr als 1,6 Millionen Menschen. “Einem Kocher, der mit reinem Pflanzenöl betrieben werden kann”, sagt deshalb Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, “müsste eine große Zukunft bevorstehen.”

“Protos”-Kocher statt Klimagas, Ruß und Gift

Diese Zukunft sollte Anfang April auf Leyte beginnen. Eine Delegation der Münchener Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH), Weltumsatz 6,8 Milliarden Euro, besuchte mit Wissenschaftlern, Entwicklungsexperten und Umweltschützern das südostasiatische Eiland. In einer über einjährigen Erprobungsphase in philippinischen Haushalten und ländlichen Garküchen hatte der Pflanzenölkocher mit dem Namen “Protos” seine Bewährungsprobe bestanden.

Den winzigen Exoten in der Programmpalette des Geräteherstellers zeichnet laut BSH-Manager Gerd Strobel eine “einfache Konstruktion, hohe Zuverlässigkeit und niedriger Preis” aus. So soll Öko-Kocher “Protos” schon für umgerechnet 30 Euro im Land produziert werden können. “Das Funktionsprinzip ist so einfach wie beim Petroleumkocher”, sagt Strobel. “Wir haben aus unserer Kernkompetenz Kochen ein Gerät für die Schwellenländer entwickelt.”

Rußt nicht, stinkt nicht, explodiert nicht

Mehrere Jahre hatten die Hohenheimer Forscher an der Entwicklung des Öko-Kochers gearbeitet. “Es hat gerußt und gestunken ohne Ende”, sagt Projektleiter Mühlbauer, “wir waren schon drauf und dran, das aufzugeben.” Immerhin hatte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt schon im Jahre 1998 einen Antrag auf Förderung des Öko-Brenners genehmigt und 90.000 Euro bereitgestellt.

Assistent Elmar Stumpf gelang nach hartnäckigen Versuchen endlich der Durchbruch. Mit Hilfe eines besonders angeordneten Verdampferrohrs sowie einem Prallteller brachte er den “Protos” zum Funktionieren.

Die Agrarwissenschaftler verzichteten logischerweise auf den Einbau komplizierter Düsen, um den Brennstoff einzuspritzen. Eine 0,3 bis 0,5 Millimeter große Öffnung lässt sich nun mit einem einfachen Draht bei Verschmutzungen säubern. Und der Aufsatz des dreibeinigen Gerätes erlaubt es, die asiatischen Wok-Pfannen komfortabel zu benutzen. “Unser Kocher kann auch auf keinen Fall explodieren”, versichert Mühlbauer.

“Wir müssen dafür sorgen, den Brennstoff in ausreichenden Mengen bereit zu stellen”, sagt Stumpf. Zusammen mit lokalen Dorfkooperationen bauen die Leyter Nachhaltigkeitsexperten eine Infrastruktur für die Gewinnung von Pflanzenölen aus tropischen Gewächsen wie der Kokosnuss, der Purgiernuss oder dem Rizinus auf. Immerhin stehen alleine auf den Philippinen mit 300 Millionen Kokospalmen viermal mehr Rohstofflieferanten als das Land Bewohner hat.

Mit 100 Litern Pflanzenöl lässt sich nach Berechnungen der deutschen Gerätehersteller die Kochenergie einer durchschnittlichen Familie für ein ganzes Jahr sichern. Zwar hat das Kokosöl nur einen um vier Prozent geringeren Heizwert als die Konkurrenz Kerosin. Dafür aber entweicht offenen Feuerstellen 370 Mal mehr Kohlenmonoxid als den Pflanzenkochern.

In Hohenheim wird schon an einen globalen Einsatz des Öko-Kochers gedacht. Sowohl in Guatemala, Tansania, China, oder Indien besteht Interesse an “Protos”.

Ob sich der schwäbische Pflanzenkocher allerdings gegen Gasgeräte, Petroleumkocher oder Holzkohle durchsetzen kann, ist noch ungewiss. “Für die Weltfirma ist das doch ein Risiko”, urteilt Kocherpionier Mühlbauer. “Wenn das nicht funktioniert, lacht die ganze Konkurrenz.”

Source

Spiegel online vom 2006-05-02.

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