Jena-Experiment: Pflanzenvielfalt führt zu hohem Energieertrag

Grünschnitt als Heizmaterial in ländlichen Regionen - eine ernstzunehmende Alternative zum Öl!

Pflanzliche Monokulturen gelten als ökologisch bedenklich, aber hoch effizient. Forscher aus Kassel, Leipzig und München haben nun gezeigt, dass bei einer energetischen Nutzung von Grünlandflächen der Ertrag mit zunehmender Artenvielfalt steigt.

Frischwiese.jpgMeist wird Grünlandschnitt zur Energiegewinnung als Co-Substrat in Biogasanlagen genutzt oder aber die Biomasse wird getrocknet und als Heu-Pellets in modernen Verbrennungsanlagen verwertet. Die Biomasse von extensivem Grünland ist allerdings sehr heterogen und die Beziehungen zwischen der Diversität des Grünlands und dessen energetischen Eigenschaften sind bislang noch weitgehend unbekannt.

Im Rahmen des Jena-Experimentes, einem der derzeit größten Biodiversitätsexperimente in Europa, wurden im Jahr 2002 auf insgesamt zehn Hektar Grünlandparzellen angelegt, die zwischen einer Pflanzenart (Monokultur) und 60 Pflanzenarten enthalten. Das Experiment erlaubt es, die Bedeutung von Biodiversität für das Funktionieren von Ökosystemen zu untersuchen. In den Jahren 2008 und 2009 wurden gezielt die Effekte der Artenzahl auf die energetischen Eigenschaften der Biomasse untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler kürzlich in der Zeitschrift Grass and Forage Science.

“Eines der wichtigsten Resultate dieser Studie war der mit zunehmender Diversität ansteigende Bruttoenergieertrag bei einer thermischen Verwertung”, erklärt Prof. Dr. Michael Wachendorf, Leiter des Fachgebiets Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe an der Universität Kassel. Ein stetiger Anstieg der Biomasse mit steigender Artenzahl und ein relativ gleichbleibender Brennwert führten insgesamt zu einer positiven Biodiversitäts-Energie-Beziehung. “So kann auf einem Hektar extensiv bewirtschaftetem Grünland mit einer Artenvielfalt von rund 60 Arten pro Jahr ein Bruttoenergieertrag von etwa 42 MWh erzielt werden”, sagt Wachendorf. Damit sei der Energieertrag etwa doppelt so hoch wie auf der gleichen Fläche mit einem Bestand von nur vier Arten.

“Ursächlich für diesen erstaunlich hohen Energiezuwachs auf gleicher Fläche sind Komplementäreffekte”, sagt Wachendorf: “Die Mischung vieler Arten nützt die vorhandenen Ressourcen wie Bodennährstoffe, Licht oder Wasser deutlich besser aus als eine Mischung von nur einer Handvoll Arten.” So würden Gräser meist eine höhere Bodenschicht mit ihren Wurzeln durchdringen als viele Kräuter, die mithilfe von Pfahlwurzeln viel tiefer in die Erde eindringen könnten. Wüchsen auf der gleichen Fläche auch Leguminosen, verbessere sich durch den von diesen Pflanzen gebundenen Stickstoff zusätzlich die Nährstoffversorgung im Boden und der Energieertrag der bewirtschafteten Grünlandfläche insgesamt. Die unterschiedlichen Pflanzenarten nützten die verschiedenen ökologischen Potenziale und Nischen einer Grünlandfläche deutlich besser aus.

“Man geht davon aus, dass in Mitteleuropa langfristig ein Viertel des Dauergrünlandflächen verschwindet, weil es entweder in Acker umgewandelt wird oder brachliegt”, stellt Prof. Wolfgang W. Weisser fest, der an der Technischen Universität den Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie innehat. “Damit gehen auch wichtige Ökosystem-Dienstleistungen verloren, wie der Schutz des Grundwassers oder des Bodens vor Erosion.”

“Es besteht die Möglichkeit, diese extensiven Grünlandflächen weiterhin zu nutzen und damit all ihre positiven Eigenschaften zu erhalten”, ergänzt Dr. Alexandra Weigelt von der Arbeitsgruppe Spezielle Botanik und funktionelle Biodiversität der Universität Leipzig. Denn eine energetische Verwertung der auf den Grünlandflächen geernteten Biomasse schaffe ökonomische Anreize für den Landwirt und könne, wie das Jena-Experiment zeige, den Artenreichtum dieser Flächen erhalten und sogar weiter steigern.

Vor einer breiten Nutzung müssen allerdings noch technische Probleme gelöst werden. So besteht die Gefahr, dass das simple Verbrennen von getrocknetem Grünschnitt nicht allein Öfen, sondern auch die Umwelt schädigt. “Grüne Pflanzenbestandteile enthalten einen nicht unerheblichen Anteil Chlor und Kalium, die beim Verbrennen in problematische Verbindungen umgewandelt werden”, erklärt Wachendorf. Es sei daher notwendig, das Pflanzenmaterial vor dem Trocknen und Pelletieren so zu behandeln, dass problematische Stoffe weitgehend eliminiert werden. Entsprechende Forschungsarbeiten hierzu sind im Jena-Experiment bereits im Gange.

“Für die Energieversorgung von ganz Deutschland wird die energetische Nutzung von Grünland auch in Zukunft nur eine Nebenrolle spielen”, sagte Wachendorf: “Betrachtet man dagegen bestimmte ländliche Regionen, verändert sich das Bild deutlich.” So mache es in Mittelgebirgsregionen wie dem Vogelsberg in Hessen durchaus Sinn, Grünschnitt zu trocknen und als Energiequelle einzusetzen: “In diesen Regionen ist Grünschnitt als Heizmaterial eine ernstzunehmende Alternative zum Öl.”

Source

Universität Kassel, 2012-07-16.

Supplier

Universität Kassel
Universität Leipzig

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