Humboldt-Universität: Forschung entlang der Wertschöpfungskette Pflanze

BMBF fördert zukunftweisende Großprojekte

Meilenweit rauschen die Maispflanzen, und die Rübenacker reichen bis zum Horizont. Wer soll das alles essen? Keine Sorge: Ein wachsender Anteil dieser Früchte auf deutschen Feldern wächst nicht für die Lebens- oder Futtermittel-Industrie. Immer öfter handelt es sich um “Biogas-Crops” – Pflanzen, die eigens für die Biogasgewinnung angebaut werden.

Denn die Erneuerbaren Energien sind auf Wachstumskurs: Ihr Anteil am Stromverbrauch ist 2005 auf 10,2 Prozent gewachsen. Im Vorjahr waren es 9,4 Prozent. Das sind insgesamt rund 62 Milliarden Kilowattstunden. Biomasse aus Pflanzen stand dabei an dritter Stelle, den größten Anteil leistete die Windenergie, gefolgt von der Wasserkraft. Besonders die Stromerzeugung aus Biogas erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um rund zwei Milliarden Kilowattstunden.

Projekte der Grundlagenforschung, in denen es um die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen geht, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Zukunftsthema erkannt. An der Humboldt-Universität fördert das BMBF zwei solcher Vorhaben.

Um die Forschung entlang der Wertschöpfungskette Pflanze (Energiespeicher), Energieumwandlungsprozess (Biogasreaktor) und Energieträger (Biogas) dreht sich das Projekt “Grundlagen der Biogasgewinnung aus pflanzlicher Biomasse”.

Biogas besteht bis zu 75 Prozent aus dem gasförmigen Energieträger Methan und wird in gesteuerten Prozessen mit Hilfe von anaeroben Mikroorganismen in Biogasanlagen gewonnen. Nachdem ursprünglich vor allem Gülle und landwirtschaftliche Abprodukte zu Biogas vergoren wurden, ist durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz die ausschließliche Fermentation von Pflanzen wirtschaftlich interessant geworden.

“Dieser Prozess läuft derzeit noch in einer Art Black Box ab”, sagt Stefan Köhler, Leiter des HU-Instituts für Agrar- und Stadtökologische Projekte (IASP). “Obwohl Ausgangs- und Endprodukt bekannt sind, sind die mikrobiologischen Prozesse kaum erforscht.” Das An-Institut der Universität koordiniert die zehn im Projekt vereinten Forschergruppen. Ihre Arbeit soll dazu beitragen, dass die Biogas-Produktion besser zu steuern ist, dass negative Effekte wie Versäuerung verhindert werden und vor allem, dass die Ausbeute von derzeit rund 180 Kubikmetern Biogas pro Tonne Pflanzenmaterial erhöht werden kann.

Mit diesem Ziel werden die Aufbereitung und die Fermentation der rein pflanzlichen Ausgangssubstrate, der Biogas-Crops erforscht: Mais, Roggen, Gras und Rüben. In der Arbeitsgruppe “Vorbehandlung von Biogas-Crop” befasst sich das Fachgebiet Agrartechnik der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HU unter Leitung von Jürgen Hahn unter anderem der Frage, wie sich in der Vorphase des Vergärungsprozesses die bestmöglichen Bedingungen für den Biogasreaktor schaffen lassen. Dazu werden auch mathematische Modelle entwickelt werden. Das “Biogas-Crops-Network” wird vom BMBF mit insgesamt 1,8 Millionen Euro für drei Jahre gefördert.

Das zweite Verbundprojekt “BioH” erforscht “Grundlagen für einen biotechnologischen und biometrischen Ansatz der Wasserstoffproduktion”. Hier nehmen Wissenschaftler auf der Suche nach Möglichkeiten zur Herstellung von Wasserstoff den Prozess der Energiegewinnung zum Vorbild – wie sie ihn die Cyanobakterien, Grünalgen und höhere Pflanzen bei der Photosynthese betreiben. Wenn das Projekt erfolgreich ist, kann mit Hilfe von Wasser und Licht Wasserstoff produziert werden: die billigste und umweltfreundlichste Methode der Energiegewinnung.

Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Bärbel Friedrich vom Institut für Biologie verfolgt dabei zwei Ansätze, bei denen bestimmte Enzyme, die Hydrogenasen, eine entscheidende Rolle spielen. Im Rahmen der Photosynthese produzieren Pflanzen und Cyanobakterien, mit denen die Wissenschaftler arbeiten, aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe des Sonnenlichts Zucker und Sauerstoff. An diesem Prozess sind zwei “molekulare Maschinen” beteiligt, die Photosysteme I und II, die das Wasser spalten und dabei Sauerstoff, Protonen und Elektronen freisetzen.

Ziel der Wissenschaftler ist es, die Wasserspaltung direkt mit der Wasserstofferzeugung zu koppeln. Dazu wird eine spezielle, Wasserstoff erzeugende Hydrogenase in die Cyanobakterien eingeführt, die die Protonen und Elektronen zusammenführt und dabei Wasserstoff freisetzt.

“Die biologische Wasserstoff-Gewinnung mit Hilfe der bakteriellen Photosynthese stand schon in den 80er und 90er Jahren im Mittelpunkt des Interesses”, sagt Oliver Lenz vom Institut für Biologie und Mitarbeiter des Projekts. Doch erst jetzt stehen die genauen Informationen über die molekulare Funktion des Photosystems und der Hydrogenasen sowie die genetischen Methoden für die Übertragung der Hydrogenasen in Cyanobakterien zur Verfügung.

“Erste Versuche der Kopplung des Photosystems mit Hydrogenase sind im Reagenzglas bereits erfolgreich verlaufen”, sagt Lenz. Es gelte jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Um die Effizienz zu steigern, muss die Wasserstoff produzierende Aktivität der Hydrogenasen erhöht werden. Außerdem muss der Stoffwechsel der Cyanobakterien so verändert werden, dass sie einerseits Wasserstoff freisetzen und andererseits weiterhin wachsen und vermehren. An dem Projekt sind neun international führende Arbeitsgruppen aus fünf Universitäten und zwei Max-Planck-Instituten beteiligt. Es wird zunächst drei Jahre lang mit insgesamt rund zwei Millionen Euro gefördert.

Ein zweiter Einsatzbereich für die Hydrogenasen, die in der Arbeitsgruppe untersucht werden, sind biologische Brennstoffzellen. Wie herkömmliche Brennstoffzellen spaltet auch diese Variante Wasserstoff an einer Elektrode in Elektronen und Protonen. An der zweiten Elektrode wird Wasser durch die Vereinigung von Protonen und Elektronen mit dem Sauerstoff der Luft erzeugt. Durch die Reaktionen an beiden Elektroden der Brennstoffzelle entsteht durch Ladungstrennung elektrischer Strom.

Der Vorteil der biologischen Brennstoffzelle, die die Berliner Arbeitsgruppe zusammen mit Forschern der Universität Oxford (England) entwickelt und bereits patentiert hat: Auf die teuren Platinelektroden kann verzichtet werden, und zur Trennung der Elektrodenräume ist keine Membran notwendig. Erneuerbar, praxisnah und sparsam – die Wissenschaftler sind sichtlich stolz an diesen Zukunftsthemen mitzuwirken.

Source

Der Tagesspiegel Online (Mit Kraut und Rüben in die Zukunft) vom 2006-04-13.

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