Gemeinden und Stadtwerke entdecken Biogas für sich

Stromproduktion der Biokraftwerke hat sich seit 2004 mehr als verdoppelt · Abhängigkeit von Gaslieferanten mindern

Konflikte zwischen dem russischen Gaslieferanten Gasprom und der EU lassen die Mitarbeiter des Kreishauses in Steinfurt kalt. Zwar wird der Verwaltungssitz des zweitgrößten Landkreises in Nordrhein-Westfalen mit Gas beheizt. Aber es stammt nicht aus Sibirien, sondern von einer 3,5 Kilometer entfernten landwirtschaftlichen Biogasanlage. Gülle und nachwachsende Rohstoffe wie Mais, Getreide oder Gras werden hier zu methanreichem Biogas vergoren.

550 Kubikmeter strömen stündlich durch eine Leitung in die Stadt und versorgen neben dem Kreishaus auch das Gesundheitsamt, eine Schule, ein Altenwohnheim und ein weiteres Verwaltungsgebäude.

Nach Angaben des Fachverbandes Biogas sind 2005 über 700 neue Biokraftwerke mit einer Leistung von rund 250 Megawatt (MW) ans Netz gegangen. Entsprechend stieg der Beitrag zur Stromproduktion: Waren es 2004 etwa 1,4 Milliarden Kilowattstunden (kWh), kamen 2005 schon 3,2 Milliarden kWh zusammen.

Bislang haben die Betreiber der rund 2.700 Biogasanlagen in Deutschland – meist Landwirte – vor allem in eine Anlage investiert, Strom zu erzeugen und zu verkaufen. Jetzt interessieren sich auch Kommunen wie Stadtwerke für die Energiequelle.

Eine Studie des Instituts für Energetik und Umwelt in Leipzig zeigt, dass Rohbiogas sich heute zu Kosten von 3,5 bis 8 Cent je kWh erzeugen lässt; die Kosten für die Aufbereitung zu Erdgas betragen weitere 2 bis 6 Cent. Erdgas liegt dagegen noch bei 4 Cent je kWh. (Vgl. Meldung vom 2006-04-12.)

Aber steigende Preise bewirken, dass bereits heute einige Kommunen beginnen, Erdgas durch Biogas zu ersetzen. “Wir sehen auch Kommunen als Gewinner des Biogasbooms. Denn steigende Energiepreise belasten die öffentlichen Kassen”, sagt Norbert Hüttenhölscher, Professor und Leiter der Energieagentur Nordrhein-Westfalen.

Anders als die Landwirte sind Kommunen vor allem an der Wärmeproduktion interessiert. Wird diese Wärme wie im Beispiel Steinfurt über die Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, ermöglicht der Stromverkauf ein zusätzliches Einkommen und senkt damit die Wärmekosten.

Denkbar wären eigene Biogasanlagen, in denen Klärschlamm, organische Abfälle aus der Stadtreinigung und der Landschaftspflege sowie Speisereste vergoren werden. Die Kraft-Wärme-Kopplung könnte helfen, die Energie in diesen Rohstoffen auszunutzen und die Abhängigkeit von Gaslieferanten zu senken.

Größeres Potenzial dagegen hat landwirtschaftliche Biomasse. Die anfallende Wärme kann in ein Nahwärmenetz eingespeist werden. Positive Beispiele für die Biogaswärme ist die Anlage im niedersächsischen Leese. Diese versorgt 15 Gewerbebetriebe über ein Nahwärmenetz.

Mit Biogaswärme heizen auch die rund 800 Einwohner in Deutschlands erstem Bioenergiedorf Jühnde, das bei Göttingen liegt. Die 700-kW- Anlage deckt dort rund 65 Prozent des Energiebedarfs (vgl. Meldung vom 2005-11-14.). Die Stadt Gehrden bei Hannover plant, ein Schwimmbad, einige Schulen und weitere Gebäude mit einer neuen Biogasanlage zu beheizen.

Doch nicht immer lässt sich ein Nahwärmenetz nutzen: Entweder ist schon ein Gasnetz vorhanden, oder die Verluste steigen wegen der Leitungslänge zu stark an. In dem Fall lohnt die Trennung von Gaserzeugung und Verstromung. Dann könnten die Kommunen sogar in den Kraftstoffmarkt einsteigen. Die ersten öffentlichen Biogastankstellen nehmen in diesem Jahr ihren Betrieb auf. (Vgl. Meldungen vom 2006-05-10 und 2006-01-27.)

(Vgl. Meldungen vom 2006-05-10, 2006-04-20, 2005-11-09, 2005-09-26, 2005-03-03 und 2004-10-29.)

Source

Financial Times Deutschland (Sonderbeilage/Printausgabe) vom 2006-05-16.

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