Den Grundstoff von Holz und Papier kennen und weiterentwickeln

Koryphäen der Cellulose-Forschung tagten vom 13.-16. Oktober in Jena

Der “Holzstoff” Cellulose ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Sein Potenzial als unerschöpfliche natürliche Rohstoffquelle stand im krassen Widerspruch zu den geringen Kenntnissen über die chemische Struktur und die Wege zum Erschließen neuer Produkte und Anwendungsfelder. An der Behebung dieser Forschungslücke hat seit 1996 das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Schwerpunktprogramm “Cellulose und Cellulosederivate – molekulares und supramolekulares Strukturdesign” mitgewirkt.

Das Programm, an dem deutschlandweit rund 30 Forschergruppen beteiligt waren, wurde jetzt planmäßig mit einer Tagung abgeschlossen, die vom 13. bis 16. Oktober in Jena stattfand. “Die Cellulose ist eine der häufigsten organischen Verbindungen der Erde und einer der wichtigsten nachwachsenden und bioabbaubaren Rohstoffe”, sagt Prof. Dr. Dieter Klemm. “Heute wird Cellulose weltweit aus Rohstoffen wie Holz, Baumwolle und Jute isoliert und weiterverarbeitet”, weist der Chemiker von der Universität Jena als einer der Koordinatoren des Schwerpunktprogramms auf die wirtschaftliche Bedeutung des Strukturpolymers Cellulose hin.

Verwendet wird sie nicht nur als Papier, sondern auch in Chemiefasern, Lacken, Klebstoffen, Hilfsstoffen in Nahrungsmitteln und Pharmaka sowie in Dialyse- und Chromatographiematerialien. Daher ist Klemm froh, dass während der letzten Jahre eine beständige “Wechselwirkung mit der Industrie in Deutschland, Österreich, Skandinavien und den USA entstanden ist”, die die Forschungsresultate wirtschaftlich umsetzen kann und sie gleichzeitig befruchtet hat.

60 Promotionen, drei Habilitationen und zahllose Forschungsergebnisse, die in nationalen und internationalen Fachzeitschriften publiziert wurden, sind das Ergebnis der sechsjährigen Anstrengungen der Cellulose-Forscher. Der Aufbau der Ketten in natürlicher Cellulose wurde sowohl in Bakterien- wie auch in Pflanzencellulose weitgehend entschlüsselt, nennt der Jenaer Chemiker ein Beispiel. Außerdem ist es den deutschen Chemikern gelungen, Cellulosederivate herzustellen, die gezielt und selektiv wirken können – ein Einsatz in der Biosensorenherstellung und zur Enzymimmobilisierung sind denkbar. Zudem wurde es möglich, aus Cellulose ultradünne Schichten zu bilden, die als natürliche “Kleber” zwischen unterschiedlichen Materialien eingesetzt werden können. Und nicht zuletzt sind neue analytische Methoden entwickelt worden, um Strukturen der neu geschaffenen Celluloseverbindungen aufklären zu können.

Dass dies nicht nur der Wissenschaft zu Gute kommt, beweist ein Beispiel aus Jena. In Klemms Arbeitsgruppe wurde gemeinsam mit dem Bereich von Prof. Dr. Dr. Dieter Schumann am Jenaer Uni-Klinikum das Biomaterial BASYC (Bacterial Synthesized Cellulose) entwickelt. Aus diesem flexiblen und bioverträglichen Cellulosewerkstoff werden Implantate für Blutgefäße hergestellt, die besonders in der Mikrochirurgie verwendet werden können. In einem vom Thüringer Wissenschaftsministerium geförderten Forschungsverbund erfolgt jetzt die Überführung in die klinische Anwendung gemeinsam mit der Jenaer Firma SurA Chemicals GmbH.

All dies wurde von den rund 100 Teilnehmern, darunter sieben ausländischen Spitzenchemikern, während der Tagung dargestellt und über die neuesten Ergebnisse der Herstellung und Strukturuntersuchung von Cellulose und daraus aufgebauten Produkten berichtet. Nach der Beendigung des Schwerpunktprogramms wird die Entwicklung auf diesem Gebiet nicht enden. “Deutschland spielt eine führende Rolle auf dem Gebiet der Celluloseforschung”, bestätigt Prof. Klemm.

Trauer über die Beendigung des Verbundes kommt bei ihm nicht auf. “Dafür haben wir keine Zeit, es laufen inzwischen andere Projekte”, so Klemm. Die Erforschung des Polysaccharidanteils in Prionen, den BSE-auslösenden Erregern, gehört ebenso dazu, wie die Weiterentwicklung von BASYC und die Kooperation mit japanischen Wissenschaftlern zu einheitlich strukturierten Cellulosen und Stärken. Außerdem bleibt gerade Thüringen ein Zentrum der Cellulosewissenschaft und -anwendung.

Dazu ist jüngst an der Universität das “Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung Jena-Rudolstadt” gegründet worden, das gemeinsam von der Friedrich-Schiller-Universität, der Industrie und dem Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V. Rudolstadt betrieben wird. “Es ist das einzige Kompetenzzentrum dieser Art in Deutschland, Ausbildungsstätte für Spezialisten auf diesem Gebiet und Anlaufpunkt für die Experten aus aller Welt”, ist sich Klemm sicher, dass die Celluloseforschung in Thüringen auch in Zukunft große Bedeutung haben wird.

Kontakt:
Prof. Dr. Dieter Klemm
Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Uni Jena
Lessingstr. 8
07743 Jena
Tel.: 03641-94 82 60
Fax: 03641-94 82 02
E-Mail: c9kldi@rz.uni-jena.de
Internet: www.uni-jena.de

Source

Friedrich-Schiller-Universität Jena und eco-News vom 2002-10-11.

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