Biogas: Nach Euphorie folgt Ernüchterung

Mit der Verabschiedung der Novelle des “Erneuerbare Energien Gesetzes” (EEG) Mitte letzten Jahres brach ein regelrechter Biogasboom los. Grund dafür war die Einführung des sog. “NAWARO- Bonus”, wodurch Strom, der aus rein landwirtschaftlichen Produkten wie Gülle oder Energiepflanzen erzeugt und ins öffentliche Netz eingespeist wird, mit zusätzlich 6 Ct. pro Kilowattstunde (bis 500 kW) vergütet wird. Die damit verbundene Preisgarantie für 20 Jahre tat ihr übriges.

Mit deutlich gestiegenen Investitionskosten und dem Problem, Gemeinschaftsanlagen im Außenbereich als privilegierte Bauvorhaben genehmigt zu bekommen, ist doch etwas Ernüchterung eingetreten. Auch wenn in Deutschland seit nunmehr über 60 Jahren Biogasanlagen gebaut werden, sind auch heute noch zahlreiche Fragen unbeantwortet, auf die es wohl erst in den nächsten Jahren gesicherte Antworten geben wird. Da ständig neue Erkenntnisse, häufig nur im Detail, gewonnen werden, stoßen Fachtagungen auf großes Interesse, lebhafte Diskussionen sind vorprogrammiert. So wurde der derzeitige Stand der Entwicklung auch kürzlich während einer Tagung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Berlin dargestellt.

Da die spezifischen Kosten pro kW mit zunehmender Anlagengröße sinken, ist ein deutlicher Trend zu größeren Anlagen erkennbar, stellte Prof. Schlagheck, Abteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium, fest. Er schätzt, dass sich die Anzahl der Biogasanlagen von derzeit 2.000 im Bundesgebiet schon bis zum Jahresende verdoppeln kann, bis 2010 können es 10.000 Anlagen werden. Er warnte allerdings vor zu großen Euphorien. Schon heute hat der Biogasboom in manchen Regionen zu Flächenverknappungen mit steigenden Pachtpreisen und Substratkosten geführt. Lag die durchschnittliche Anlagengröße im Jahr 2000 noch bei 75 kW, so sind wir heute bei 350 kW, mit deutlicher Tendenz zu 500 kW. Zudem ist ein deutlicher Trend weg von “handgestrickten” hin zu komfortablen Anlagen mit hohem technischen Standard zu erkennen, was sich u.a. in den deutlich gestiegenen Investitionskosten der vergangenen Monate niederschlug.

Erneuerbare Energien sind heute mit etwa 3% am Primärenergiebedarf der Bundesrepublik beteiligt, so Dr. Andreas Schütte, FNR. Im Jahre 2030 können es etwa 17% sein, die sich nach seinen Schätzungen auf 34% Holz, 59% Energiepflanzen und 7% Biogas aufteilen. Derzeit stehen im Bundesgebiet etwa 2 Mio. Hektar für den Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in Biogasprojekte ist für Schütte ein wichtiges Thema. So wird derzeit in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband eine Informationskampagne gestartet.

Florian Schöne, NABU, äußerte sich grundsätzlich positiv zum Anbau nachwachsender Rohstoffe. Der Ökolandbau muss dabei nicht der Königsweg sein, ein Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, Anwendung integrierter Verfahren im Pflanzenschutz, Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen und Vielfalt statt Einheitlichkeit sind für seinen Naturschutzverband wichtige Ziele in diesem Zusammenhang.

Nach Ansicht von Dr. Walter Schmidt, KWS ist ein enges Zusammenspiel von Pflanzenzucht und Pflanzenbau erforderlich, um optimale Biomasseerträge in optimierten Fruchtfolgen zu erreichen. Nach seiner Ansicht ist es möglich, den Trockenmasseertrag von Mais z.B. durch Kreuzungen hiesiger und südamerikanischer Sorten innerhalb von 10 Jahren auf 30 t pro ha zu verdoppeln. Dabei wird seines Erachtens auch im Hinblick auf mehrere Fruchtfolgen Wasser der begrenzende Faktor sein. Neben Mais werden andere Pflanzen wie Sonnenblumen, Hirse, vielleicht im Mischanbau mit Mais, Roggen, Rübsen und Raps erprobt.

Prof. Konrad Scheffer, Uni Kassel, favorisiert ein Zweikulturnutzungssystem mit hoher Pflanzenvielfalt. So könnten Flächen im Winter mit C-3-Pflanzen wie Getreide, Raps oder Erbsen, im Sommer mit C-4-Pflanzen wie Mais, Sonnenblumen oder Zuckerhirse bestellt werden. Mischkulturen sind möglich, Pflanzen wie Windhalm stören nicht, sollten aber nicht reif werden. Nach seiner Ansicht hilft der Energiepflanzenanbau ökologische Probleme zu lösen: durch mehr Artenvielfalt, geschlossene Nährstoffkreisläufe, Biotopverbund, zunehmende Selbstregulierung von Krankheiten und Schädlingen, Grundwasser- und Bodenschutz.

Über Ergebnisse des Biogas- Messprogrammes berichtete Prof. Dr. Peter Weiland, FAL. Obwohl eine Biogasanlage häufig mit der Hochleistungskuh verglichen wird, ergeben sich hinsichtlich der zugeführten Substrate doch etwas andere Anforderungen. So sollte die Schnittlänge beim Mais unterhalb von 4 mm liegen, um durch mechanischen Aufschluss schon bei der Ernte den Abbau durch Bakterien zu erleichtern und ein Aufschwimmen im Fermenter zu reduzieren.

Weitgehend vernachlässigt wurde bisher der Sandeintrag in die Anlagen, der zu Verschleiß der Förder- und Pumpaggregate führt und ein kontinuierliches oder periodisches Ausräumen der Behälter erforderlich macht. Die Zugabe von Getreide in geschroteter oder gequetschter Form gewinnt zunehmend an Bedeutung. Einfache Lagerung, gute Mechanisierbarkeit, kurze Verweilzeiten und hoher Energiegehalt sind als Vorteile zu nennen. Die mögliche Gasausbeute wird allerdings häufig überschätzt, sie sollte mit etwa 700 l pro kg OTS (organ. Trockensubstanz) angenommen werden. Raps führt zu hohen Schwefelgehalten (H2S) im Biogas. Mangelhafte Qualität der Substrate, insbesondere Schimmel, mindern die Gasausbeute.

90% der untersuchten Anlagen arbeiteten mit stehenden Fermentern, die bei NAWARO- Anlagen größere Probleme mit Schwimmschichten haben, als liegende Behälter. Allgemein ist ein Trend zu langsam laufenden Rührwerken, häufigen Beschickungsintervallen und zweistufigen Systemen zu erkennen.

Bild Liegende Fermenter mit horizontalen Rührwerken werden mit Schwimmschichten besser fertig als stehende Behälter. So wird versucht, mit über 30% OTS im Input den “Technologiebonus” (2 Ct/kWh) übers EEG zu bekommen.

Anlagen mit einer Raumbelastung (tägliche Zugabe) von 1 – 3 kg OTS pro m3 Fermentervolumen und Tag haben sich gut bewährt, die Anlagen laufen dann recht stabil mit geringen Prozessstörungen. Selbst bei Verweilzeiten von 60 – 90 Tagen ist das Substrat (Mais und Gülle) noch nicht vollständig ausgefault. 5 – 10% Biogas wird auch nach dem Prozess noch frei. So sind abgedeckte Lagerbehälter zu empfehlen, die dann als Gasspeicher genutzt werden können. Bisher sind nur etwa 10% der Behälter der untersuchten Anlagen abgedeckt, berichtete Prof. Weiland.

Torsten Fischer, Krieg und Fischer Ingenieure GmbH, berichtete über Bau und Probleme reiner NAWARO-Anlagen. Er wies darauf hin, dass bei Substraten, die zu Schwimmschichten neigen, in der Fermenterbauweise möglichst ein Durchmesser-/ Höhenverhältnis von 1:1 angestrebt werden sollte. Rührwerke gehören bei den NAWARO- Anlagen mit zu den wichtigsten Bauteilen. So sollte großer Wert auf starke Getriebe der Rührwerke gelegt und die Daten geprüft werden. Auch wenn Fischer den Bau reiner NAWARO- Anlagen ohne Gülle als relativ unproblematisch darstellte war zu erkennen, dass der Betrieb derartiger Anlagen doch erheblich schwieriger ist und höheres Fingerspitzengefühl des Betreibers erfordert als bei Gülleanlagen.

Für Martin Schulze, der in Ostbrandenburg eine Biogasanlage für Nachwachsende Rohstoffe (NAWARO) betreibt, ist es wichtig, dass die Anlagen auf das zu verarbeitende Substrat ausgelegt werden. So sollte man sich vor dem Bau als Biogastourist möglichst viele Anlagen ansehen, um der für den Betrieb optimalen Auslegung und Bauweise möglichst nahe zu kommen.

In der Diskussion, geleitet von Nuse Lack, Fachberaterin für Biogas bei der FNR, wurden u.a. die unterschiedlichen Gasausbeuten und Methangehalte diskutiert, die bei falschen Annahmen zu erheblichen Fehleinschätzungen der Wirtschaftlichkeit führen können. So wurde deutlich darauf hingewiesen, dass Futteranalysen wohl Hilfsmittel sein können, aber häufig nicht ausreichen. Bei Substraten, für die aus der Praxis keine gesicherten Ergebnisse vorliegen, sollten mögliche Gasausbeuten durch Gärtests ermittelt werden.

Tenor der Veranstaltung: “Es gibt noch viel zu tun!” So wurde u.a. die Gaseinspeisung ins öffentliche Erdgasnetz als Herausforderung für die Zukunft formuliert. Hier ist eine Vorrangregelung mit einem Einspeisegesetz erforderlich, damit wie beim Strom entsprechende Mindestpreise gezahlt werden.

(Vgl. Meldung vom 2004-11-20.)

Source

Landwirtschaftskammer Hannover vom 2005-04-08.

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