BBK: Biodiesel- und Pflanzenölindustrie steckt in der Krise – Versorgungssicherheit schwindet

Biokraftstoffe im Vorwahlkampfjahr 2007

Liebe Mitglieder, Parlamentarier und Biokraftstofffreunde,

das Auto ist des Deutschen liebstes Kind! Uneingeschränkte Mobilität ist für uns Deutsche eines der wichtigsten Eckpfeiler unserer persönlichen Freiheit. Der breiten Öffentlichkeit ist schon heute bewusst, dass die Erdöl- und Erdgasressourcen in wenigen Jahren erschöpft sind. Importe aus politisch instabilen Regionen, wie aktuell die gestoppten Erdöllieferungen aus der Pipeline aus Weißrussland zeigt deutlich die Problematik, dass es keine langfristig verlässliche Versorgungssicherheit gibt. Ebenso ist den Bürgern klar, dass der enorm gestiegene Verbrauch der fossilen Energieträger vor allem im Verkehr die Ursache für nachhaltige Klimaveränderungen ist. Die Sommer werden länger und heißer, die Winter werden zum Herbst und der schnelle Klimawandel führt zu vorher nicht bekannten extremen Wetterbedingungen.

Ein Hauptverursacher dieser Entwicklung ist der weltweit zunehmende Öl- und Gasverbrauch durch den Verkehr und das Transportgewerbe. Diese Situation ist den meisten Bürgern bekannt und trägt zunehmend dazu bei, dass Biokraftstoffe bei der Masse der Bevölkerung populär sind.

Sie sind es nicht nur deswegen, weil Biokraftstoffe eine klimafreundliche CO2-neutrale Alternative zu den die Umwelt belastenden fossilen Ressourcen darstellen und jedes Jahr neu heranwachsen sondern auch weil sie bezahlbar sind und zahlreiche Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Sie sind zwischenzeitlich nach mehr als 10 Jahren Biokraftstoffpolitik in Deutschland neben der erkannten Einsparnotwendigkeit ein wichtiger Hoffnungsträger bei der Beantwortung der Frage “Was tanken wir morgen?” geworden.

Biokraftstoffe sind in Deutschland populärer denn je, obwohl der Großteil der Bevölkerung die komplizierte Thematik der wirtschaftlichen Umsetzung bis heute nicht verstanden hat.

Biokraftstoffe sind für die meisten Deutschen immer noch mit dem Begriff “Biodiesel” verbunden. Dieses ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Deutschland seit über 10 Jahren eine konsequente Reinbiodiesel-Politik gefahren hat. Heute vertreiben bzw. nutzen mehr als 1.900 Tankstellen und mehr als 2 Mio LKW’s und PKW’s Reinbiodiesel und Reinpflanzenöl. Reinbiodiesel als Biodiesel Pur und ist bekannt und anerkannt.

Nur wenige Bundesbürger wissen, dass bereits seit dem 01.01.2004 mit dem Mineralölsteuergesetz Biodiesel auch als 5 %iger Anteil in jedem Liter mineralischen Diesel enthalten war. Die Nichtkennzeichnung des Biodieselanteils an den Dieseltankstellen war der bisherige Grund für die Unwissenheit.

Bis zum 01.08.2006 mit Einführung des Energiesteuergesetzes (EnStG) wurde die Beimischung von Biodiesel bedingt durch die steuerliche Begünstigung von der Mineralölindustrie gern vollzogen, da der Biodiesel-Beimischungsanteil ihr wirtschaftliche Vorteile verschaffte.

Ab 01.08.2006 brach der Steuervorteil durch die Mischkraftstoffbesteuerung von 15 ct/l für Biodiesel zusammen, da schon Ende August 2006 der Erdölpreis auf 50 $ /barrel sank und trotz des Steuervorteils von mehr als 30 ct/l Erdöldiesel billiger war als Biodiesel.

Mit Inkrafttreten des EnStG wurde ab 01.08.2006 Biodiesel-Pur mit einer jährlichen festen Mineralölsteuer beaufschlagt und bis 2012 wird stufenweise die Vollbesteuerung von Biodiesel umgesetzt. Damit wurden die klaren gesetzlichen Festlegungen des Mineralölsteuergesetzes von 2004, die eine Besteuerung in Höhe der jährlich festgestellten Überförderung (Überkompensation) im Vergleich zum Öl-/Dieselpreis bis 2009 vorsah, von der neuen Koalitionsregierung gebrochen.

Durch das EnStG wurde gleichfalls reines Pflanzenöl mit einem bis 2012 ansteigenden Steuersatz fiktiv voll besteuert. Damit ging ein Schock durch die Branche, die mehr als 150.000 Arbeitsplätze direkt und in der nachgelagerten Transportwirtschaft neu geschaffen hatte.

Biodiesel und reines Pflanzenöl wurden der Wette auf stetig steigende Erdöl- und damit Biodieselpreise ausgesetzt!

Die Tatsache wird dadurch noch verschlimmert, dass ein sich bewährtes deutsches Gesetz von der Koalitionsregierung durch Schaffung neuer Gesetzlichkeiten gebrochen wurde. Die einzige Begründung der Notwendigkeit der Gesetzesänderung durch das deutsche Finanzministerium war die Steuerersparnis. Bereits mehrfach war zwischenzeitlich mit Studien belegt worden, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, da die vor 2004 im Ausland tankenden mehr als 2 Mio LKW’s nach Deutschland zurückgeholt wurden und durch Milliarden an Investitionen mehr als 100.000 neue Jobs im Biodiesel- und Rein-Pflanzenöl-Bereich später geschaffen worden sind und damit eine deutlich positive Steuerbilanz entstanden war.

Ein fataler Irrtum also, mit erheblichen Folgen für die Biokraftstoffbranche, die heute, 5 Monate nach Einführung des EnStG um das Überleben kämpft, da Biodiesel Pur mit mehr als 3,5 Mio t Gesamtproduktion (mehr als 12% vom gesamten deutschen Dieselverbrauch) ab 2007 für 50% des Absatzes keinen deutschen Markt mehr hat. Der Dieselpreis von 1,10 €/l an der Tankstelle macht Biodiesel Pur nicht mehr wettbewerbsfähig.

Ein Ausgleich sollte die mit dem Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG) verordnete Beimischungspflicht von ca. 5% Biodieselbeimischung zu Diesel und 1,7% Bioalkohol zu Benzin ab 01.01.2007 werden. Der Unterschied zur vorherigen Beimischungspraxis liegt ab 01.01.2007 in der vollen Versteuerung des Biokraftstoffanteils in der Mischung. Sie führt unweigerlich zu höheren Diesel- und Benzinkosten und belastet zusätzlich zur Mehrwertsteuererhöhung alle Verbraucher.

Die Mineralölindustrie und die freien Tankstellen erkennen in der Beimischungspflicht keinen wirtschaftlichen Vorteil mehr und werden jede Gelegenheit nutzen, die Biokraftstoffe für die hohen Kraftstoffkosten in den nächsten Jahren verantwortlich zu machen. Zu Recht, voll besteuerte Biokraftstoffe haben bis zu einem Erdölpreis von 90 $/barrel nur einen Effekt für den Bürger und den Transportbereich – “Sie machen den Sprit teurer, als er schon ist!”.

Vollbesteuerte Biomischkraftstoffe sind deshalb den Verbrauchern und Wählern im Wahlkampf schwer zu kommunizieren. Pur Biokraftstoffe wie Biodiesel und Pflanzenöl (50% des gesamten Biokraftstoffmarktes), die jährlich fiktiv mit immer höheren Mineralölsteuern wirtschaftlich erdrosselt werden, ebenso nicht.

Da hilft es wenig, auf die bis 2015 steuerbefreiten Pur Biokraftstoffe wie Pur Alkohol 70/85 (Bioethanol), Biomethan oder zukünftig Pur Synthesekraftstoffe zu setzen, da sie heute keine 2% des Biokraftstoffmarktes ausmachen.

Sie sind bis 2015 steuerbefreit und sollen nur bei Auftreten einer Überförderung (Überkompensation) besteuert werden. Solch eine gesetzlich verankerte Festlegung gab es 2004 mit dem Mineralölsteuergesetz schon einmal, die fest bis 2009 versprochen war und 2006 gebrochen worden ist. Warum sollte es bei Alkohol, Biogas und Synthesekraftstoffen zukünftig anders sein, als jetzt bei Biodiesel und Pflanzenöl.

Die neuen Biokraftstoffgesetze haben der Biokraftstoffbranche bereits einen enormen Schaden zugefügt.

Die Biodiesel- und Pflanzenölindustrie – vor 6 Monaten noch ein blühender Wirtschaftszweig – steckt tief in der Krise!

Investitionsstops, Insolvenzen und zunehmender Tanktourismus gefährden 5 Monate nach Inkrafttreten des EnStG die Branche mit mehr als 150.000 Arbeitsplätzen.

Was ist 2007 dringend durch Sie zu tun, um 2008 mit Biokraftstoffen ein attraktives Wahlthema zu haben?

1. Drängen Sie auf eine schnelle Vorlage des gesetzlich neu festgelegten Biokraftstoffberichtes bis spätestens April 2007. Verlangen Sie eine Prüfung der Überbesteuerung von Biodiesel und Pflanzenöl und damit eine Gleichstellung zu Alkohol, Biogas und Synthesekraftstoffen.

2. Wenn, wie schon heute feststeht, der Biodiesel-Pur- und Pflanzenöl-Pur-Markt durch die im EnStG festgelegten Steuerbeaufschlagungen in wirtschaftliche Not geraten ist, muss das Parlament die jetzt festgelegten jährlich steigenden festen Steueraufschläge zurücknehmen. Es muss, wie im Vorgängergesetz verankert war, die Besteuerung gemäß Nachweis der “Überförderung oder Überkompensation” einführen. Dieses muss auch heute die Besteuerungsgrundlage für Alkohol, Biomethan und Biosynthesekraftstoffe sein und würde die Ungleichbehandlung der einzelnen Biokraftstoffarten wieder beenden, die derzeitig überhaupt kein Bürger versteht.

3. Fest steht, dass eine temporäre Steuerreduktion von Biokraftstoffen Pur und für die Beimischung zur Mobilitätssicherung in Deutschland dem Wähler erheblich besser kommunizierbar ist, als eine, wie vor kurzem in Bayern geforderte, globale Senkung der Mineralölsteuern.

4. Legen Sie bitte großes politisches Gewicht auf die langfristig ausgerichtete “Zweiwegestrategie” im Biokraftstoffbereich d.h. Biokraftstoffe Pur (Reinbiodiesel, reine Pflanzenöle, Alkohol pur, reine Biosynthesekraftstoffe) und die Bio-Mischkraftstoffe zu gleichen Anteilen.

5. Pur-Biokraftstoffe als Biodiesel, Pflanzenöl, Alkohol und zukünftig Synthesekraftstoffe sind hervorragende Wahlkampfthemen, um

  • günstige morgige Kraftstoffe,
  • Investitionen,
  • Umweltschutz und
  • Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen

in die Wahlkreise zu bringen.
Nur eine klare gesetzliche Grundlage, die noch 2007 zu schaffen ist, beantwortet die Frage “Was tanken unsere deutschen Wähler morgen?””.

6. Deutschland hat in Europa die höchsten Mineralölsteuern. Der deutsche Bürger hat sich mittlerweile an sie gewöhnt, da erscheint es erheblich sinnvoller, in Ihrem Wahlkreis eine Politik zu fahren, die heißt: “Biokraftstoffe stoppen den Klimawandel, schaffen deutsche Arbeitsplätze, sichern langfristig günstige Spritpreise für Bürger und Gewerbe!”.

Bitte setzen Sie sich 2007 dafür ein, dass die Fehler des EnStG/ BioKraftQuG und des BImSchG spätestens ab Mai 2007 noch vor der Sommerpause korrigiert werden. Ansonsten wird schon in den nächsten 2 Jahren ein Großteil der deutschen Biodiesel- und Pflanzenölwirtschaft und die Hälfte der deutschen Transportflotte ihre Betriebe in das europäische Ausland verlegen. Die Versorgungslücke für Deutschlands Kraftstoffe wird dadurch und wie im Pipeline-Konflikt erkennbar, erheblich größer.

Ich bitte Sie daher um aktive politische Einflussnahme, die derzeitige Schieflage schnellstmöglich rückgängig zu machen.

Ihnen ein gesundes und erfolgreiches 2007 wünschend
verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Peter Schrum
Präsident

Kontakt
Bundesverband Biogene und Regenerative Kraft- und Treibstoffe e.V. vom 2007-01-09.
Zum Wasserwerk 12
D-15537 Erkner
Tel.: +49 (0) 3362 / 8859 100
Fax: +49 (0) 3362 / 8859 110
eMail: info@biokraftstoffe.org

Für Sie zum Download: Statusbericht_Rein-Biodiesel_und_Rein-Pflanzenol.pdf vom 2007-01-05.

(Vgl. Meldungen vom 2006-11-30, 2006-08-24, 2006-12-04 und 2006-11-21.)

Source

Bundesverband Biogene und Regenerative Kraft- und Treibstoffe e.V. vom 2007-01-09.

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