Autoteile auf den Kompost: Naturfasern verdrängen Kunststoffe

Fasern von Hanf oder Flachs sind en vogue, und das nicht nur in der Modebranche. Auch die Industrie entwickelt neue Produkte aus den nachwachsenden Rohstoffen. Autoteile und Computergehäuse, die auf dem Kompost entsorgt werden können, sind keine Utopie mehr. Seit Techniker Bio-Verbundstoffe auch im Spritzgussverfahren verarbeiten können, gibt es einen Entwicklungsschub, der herkömmliche Kunststoffen in vielen Bereichen verdrängen könnte.

Mit der Kombination aus Pflanzenfasern und natürlichen Harzen lassen sich beliebige Formen herstellen. Denkbar sind Gehäuse von Computern oder Büromöbel. Für all diese Produkte gilt: Sie sind nicht nur zum Recycling geeignet, sondern tatsächlich biologisch abbaubar. Vor allem die Autoindustrie ist an den neuen Werkstoffen interessiert, sollen Autos doch von 2006 an fast vollständig abbaubar oder wieder verwertbar sein. Die Naturfaserprodukte könnten die herkömmlichen Glasfaser verstärkten Kunststoffe ersetzen, die die meisten Probleme beim Recycling machen.

Die Fasern werden aus Flachs und Hanf gewonnen, die in Europa heimisch sind. Andere Länder bauen auch Jute, Sisal und weitere Faserpflanzen an. Ackerflächen seien in Europa reichlich vorhanden, sagt Hermann Hansen von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow. “Allein der momentane Bedarf der Autoindustrie, etwa 25.000 Tonnen Naturfaserprodukte im Jahr, könne auf 12.500 Hektar Ackerland angebaut werden.”

Zusätzlich stehen laut Hansen für den Anbau stillgelegte Äcker in der Europäischen Union bereit, immerhin 10 Prozent der Ackerflächen. “Für die Landwirtschaft ergibt sich hier ein neues Produktionsfeld, ähnlich dem Rapsanbau für Biodiesel, der heute schon auf diesen Flächen zugelassen ist.”

Vor sechs Jahren bereits folgte die Fahrzeugindustrie dem Boom der Naturfasern, die zuvor insbesondere für Dämmstoffe beim Bau eingesetzt wurden. Heute setzt sie bei Hutablagen, Innenverkleidungen und Sitzen serienmäßig Faserprodukte ein, berichtet Hansen. Technisch betrachtet handelt es sich um Formpressteile: Ein Faservlies wird mit einem Bindemittel in eine Form gepresst. (Vgl. Meldung vom 2002-09-04.)

Sollten sich die Naturfaserstoffe auch im Spritzgussverfahren etablieren, steht nach Schätzungen des nova Instituts in Hürth zusätzlich ein EU-Markt von 60.000 Tonnen allein im Fahrzeugbau offen, der heute mit Produkten aus Glasfaser gedeckt werde. (Vgl. Meldungen vom 2003-02-05 und 2002-10-11.)

Die Industrie ist auf zuverlässige Werkstoffe angewiesen. Die neuen Bio-Materialien haben die Entwicklungslabors verlassen und sind auf der Schwelle zum Serieneinsatz. Die meisten dieser Stoffe bestehen aus einem Naturfaser-Polypropylen-Verbund. Verbundstoffe mit Bioharzen auf der Basis von Leinölpflanzen werden noch in den Entwicklungsabteilungen erprobt. (Vgl. Meldung vom 2002-06-26.)

Für die boomende Windkraftindustrie entwickelt die Firma Invent aus Braunschweig Rotorblätter, bei denen teilweise Bioverbundstoffe eingesetzt werden. “Wir testen noch, wie hoch der Anteil der Naturfasern sein darf, um dennoch den hohen Belastungen standzuhalten”, erklärt Thomas Wurl, Projektleiter bei Invent. Der zwei Meter lange Prototyp kann in Braunschweig schon besichtigt werden. Laut nova Institut hat die Bio-Plastik gute mechanische Eigenschaften und ein niedriges Gewicht. (Vgl. Meldung vom 2002-01-09.)

Über die künstliche Alterung zum Beispiel mit UV-Strahlung werde die langfristige Belastbarkeit untersucht, erläutert Andreas Rimböck, Marketingleiter bei Schuberth Helme. Derzeit teste die Firma in Braunschweig einen Industrie-Schutzhelm, den sie zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt entwickelt habe. “Der Helm zeigt erstmals, dass es möglich ist, sicherheitsrelevante Teile aus den biologischen Verbundstoffen in Serie herzustellen”, sagt Rimböck. In wenigen Wochen seien die Sicherheitstests abgeschlossen. Der Helm, der auch hitzebeständig sei, solle Anfang 2004 auf den Markt kommen. (Vgl. Meldung vom 2000-11-15.)

(Vgl. Meldung vom 2003-04-15.)

Source

dpa-Meldung vom 2003-06-30.

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