WWF macht zum Frühlingsbeginn auf die Bedrohung von Heilpflanzen aufmerksam

Weltgesundheitsorganisation erlässt Richtlinien zum Sammeln von Heilpflanzen / Kontrollierter Anbau schützt den Wildbestand

Viele wilde Arzneipflanzen sind vom Aussterben bedroht!

Noch schlummern die meisten Gräser, Kräuter und Knospen – doch in Kürze werden sie alle aus ihrem “Winterschlaf” erwachen und uns mit ihrem saftigen Grün und ihren farbenfrohen Blüten erfreuen. Viele Pflanzen waren schon in frühen Zeiten als Heilpflanzen von großer Bedeutung. Der WWF weist zum Frühlingsbeginn darauf hin, dass auch heute noch weltweit rund 40.000 Arten als Heilkräuter in Arzneien, Kosmetikprodukten und Tees genutzt werden. Ein Viertel davon ist bedroht. 80 Prozent aller verwendeten Pflanzen stammen aus Wildsammlungen. Der WWF warnt davor, Heilpflanzen zu übernutzen, und entwickelt Strategien, um die Bestände wild wachsender Pflanzen zu schützen.

“Wer mehr Pflanzen erntet als wieder nachwachsen, entzieht sich selbst die Grundlage für sein Einkommen”, warnt Susanne Honnef, Heilpflanzenexpertin des WWF. Der WWF befürwortet die kontrollierte und nachhaltige Sammlung wild wachsender Pflanzen. Ein Gütesiegel für sozial verträglich und nachhaltig bewirtschaftete Heilpflanzen könnte die Bestände in ihren natürlichen Lebensräumen langfristig erhalten. “Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel in Osteuropa, können mit der Sammlung von Heilpflanzen ihren Lebensunterhalt sichern und setzen gleichzeitig die Umwelt, in der sie leben, in Wert. Beim Sammeln sollen sie aber bestimmte Vorgaben beachten”, beschreibt Susanne Honnef die Vorteile für die Natur.

Der Heilpflanzen-Markt ist enorm: Jedes Jahr werden weltweit rund 400.000 Tonnen Heilpflanzen mit einem Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar gehandelt. Rein rechnerisch verwenden vier von fünf Menschen Heilstoffe aus der Natur. Vor allem für Menschen in ärmeren Regionen gibt es oft keine Alternative zur “Apotheke Natur.” Aber auch in den Industrieländern legen immer mehr Menschen Wert auf natürliche Heilmittel. Ein Drittel des weltweiten Verbrauchs entfällt auf Europa. Hier werden rund 2.000 verschiedene Pflanzenarten kommerziell genutzt. Mehr als die Hälfte davon sind hier heimisch. Deutschland ist innerhalb Europas mit einem Verbrauch von 45.000 Tonnen Rohmaterial pro Jahr Spitzenreiter (vgl. Meldung vom 2003-02-28). Die Einsatzmöglichkeiten von Heilpflanzen sind vielfältig:

– Schlüsselblumen helfen bei Erkrankungen der Atemwege.
– Das Frühlings-Adonisröschen wird als Herzmittel eingesetzt.
– Huflattich hilft gegen Husten.
– Bärentraube lindert entzündliche Erkrankungen der Harnwege.
– Gelber Enzian heilt Magenbeschwerden und Verdauungsstörungen.

Adonisröschen-Schlaf ist beendet

Doch viele der aufgeführten Pflanzen sind bedroht: Der Handel mit dem Frühlings-Adonisröschen wird bereits seit 2000 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen international kontrolliert. Die Schlüsselblume ist vor allem in Osteuropa durch unkontrollierte Nutzung sowie durch den Verlust des Lebensraumes – unter anderem durch intensive Landwirtschaft – in ihrem Bestand gefährdet. Der WWF entwickelt Möglichkeiten zur Zertifizierung von Heilmitteln, deren Zutaten aus ökologisch verträglicher Wildsammlung stammen. So können die Verbraucher die Sicherung gesunder Heilpflanzen-Bestände künftig direkt beeinflussen.

Ein WWF-Beitrag im New Scientist weist darauf hin, dass bis zu 20 Prozent der 50.000 Arten aussterben könnten, wenn so weiter gesammelt wird wie bisher. Hierfür wurde eine Studie von Alan Hamilton heran gezogen, die der Pflanzenexperte des WWF International inzwischen im Fachblatt Biodiversity and Conservation veröffentlicht hat.

Besonders gefährdet sind nach Angaben der Oranisation Plantlife exotische Arten wie Tetu Lakha (Nothapodytes foetida), ein Baum in den Regenwäldern Südindiens und Sri Lankas, der für europäische Krebsmittel geerntet wird, Costus bzw. Kusta (Saussurea lappa), ein indisches Kraut, dessen Wurzel chronische Hauterkrankungen lindert, und die chinesische lilienartige Fritillaria cirrhosa, die gegen Atemwegsinfektionen eingesetzt wird. Die Populationen der Afrikanischen Kirsche (Stinkholz, Prunus africana) sind sogar schon zusammengebrochen, Prostatamittel aus ihrer Rinde wird es nicht mehr geben. Aufgrund steigender Nachfrage waren die Bäume zuletzt vollständig – nicht teilweise, wie früher üblich – abgeschält worden.

Der Markt für Medizinalpflanzen in Nordamerika und Europa ist in den vergangenen zehn Jahren jährlich um zehn Prozent gewachsen und setzt heute weltweit rund 16 Mrd. EUR um. Doch weder die verarbeitenden Industrien, noch die vermeintlich umweltbewussteren Anwender pflanzlicher Präparate machen sich gedanken über die Folgen. Susanne Honnef vom WWF verweist hier auf die besondere Verantwortung Deutschlands in diesem Markt: “Wir sind weltweit der viertgrößte Importeur von Heilpflanzen und stehen innerhalb der EU auf Platz eins bei Handel und Verbrauch.”

Hierzu sei auch der Online-Beitrag der Ärzte Zeitung zitiert:

Offenbach, 19.02.2004 – Ginseng – dieser ostasiatischen Pflanze werden ganz besondere Heilkräfte zugeschrieben. Seit Jahrtausenden wird die Ginseng-Wurzel in der chinesischen Medizin eingesetzt zur Steigerung von Abwehrkräften und Leistungsfähigkeit.

Und auch hierzulande ist sie äußerst beliebt, der Wurzelextrakt von Panax ginseng wird selbst als Tees und Kosmetika angeboten. Diese Beliebtheit hat Konsequenzen: Es gibt immer weniger wilden Ginseng. Die Pflanze ist vom Aussterben bedroht.

Ähnlich kritisch ist die Situation etwa für den amerikanischen Ginseng (Panax quinquefolius), Echinacea-Gewächse, Kanadischen Gelbwurz und Kava Kava: Sie und viele andere Arzneipflanzen gehören zu den bedrohten Spezies, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

In der letzten Woche hat die WHO deshalb Richtlinien zu korrektem Anbau und Sammeln von Heilpflanzen erlassen. Sie richten sich an die Regierungen. Sie sollen verstärkt auf Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit bei der Phytomedizin achten zum Wohle von Patienten und Umwelt. Immerhin sind pflanzliche Therapeutika nicht nur weltweit beliebt, sondern auch ein Riesen-Markt. Die WHO beziffert den Gesamt-Umsatz auf über 60 Milliarden US-Dollar.

Es muss auch nicht sein, dass wilde Heilpflanzen mit Stumpf und Stil ausgerissen werden. Oft kann kontrollierter Anbau etwa das Sammeln von Wildpflanzen ersetzen. Die WHO nennt das rosablühende Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus), das eingesetzt wird gegen Leukämie bei Kindern, als positives Beispiel: Die Pflanze wird inzwischen in großem Stil in Spanien und in den USA angebaut. Dazu muss man allerdings sagen: Das schont zwar den natürlichen Bestand in Madagaskars Regenwäldern, doch das arme Land hat nicht viel davon. Es wäre sinnvoller gewesen, das Immergrün direkt in Madagaskar anzubauen.

Ein weiteres Beispiel ist die Teufelskralle (Harpagophytum proumbens), die in den sandigen Steppenregionen der Kalahariwüste lebt und deren Wurzel bei Rheuma hilft. Auch die wilde Teufelskralle ist inzwischen gefährdet und könnte aussterben, wenn sie weiter so rücksichtslos gesammelt werde, so die WHO. Hauptexporteur ist Namibia.

Zwischen Januar und August 2000 hat das Land knapp 200 Tonnen Teufelskrallen-Wurzel exportiert. Zwischen 10.000 und 15.000 Menschen in Nambia leben vom Sammeln der Pflanze. Das geschieht ohne Rücksicht, so dass nicht nur der Pflanzenbestand gefährdet ist, sondern diese Menschen deshalb ihren Broterwerb verlieren.

1998 hat eine namibische Farm aber ein Nachhaltigkeits-Projekt gestartet: Die Pflanzen werden nicht radikal geerntet, sondern sie werden gepflegt. So überleben die Pflanzen, und die Menschen profitieren langfristig davon. Gleich im ersten Jahr wurden hier über 10.000 Kilo garantiert organischer Teufelskrallen-Wurzel produziert. Und dieses Projekt zieht inzwischen Kreise. So geht es also auch.

Source

WWF-Presse vom 2004-03-24, Ärzte Zeitung vom 2004-02-19 und UMWELT-Briefe vom 2004-03-31.

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