Vollgas für den Sonnendiesel

Benzin aus Biomasse statt aus Raps - darin sehen viele Experten die Zukunft der alternativen Treibstoffe. Doch die Konkurrenz ist noch nicht entschieden

Eine Hoffnung geht um in Deutschland – die Hoffnung auf Autosprit vom Acker. Es ist nicht der Biodiesel aus Raps, den es schon gibt. Es ist auch nicht Ethanol aus Zuckerrüben oder Weizen, der im nächsten Jahr in unser Benzin gemischt wird. Es sind drei Buchstaben, die große Visionen aufkommen lassen: BtL – das steht für Biomass to Liquid. Die verflüssigte Biomasse hat auch einen wohlklingenden Namen: SunDiesel. Volkswagen und Daimler-Chrysler forschen gemeinsam daran, der Bauernverband jubelt, der Naturschutzbund sieht viele Chancen. Und nun bekommt der neue Pflanzendiesel noch Rückenwind von der Bundesregierung. Das Landwirtschaftsministerium lädt heute zur Gründung einer Informationsplattform ein. Die neue Internetseite www.btl-plattform.de wird freigeschaltet, und rund 100 Teilnehmer aus Industrie, Landwirtschaft und Wissenschaft kommen zur Auftakttagung ins Berliner Künast-Ministerium. (Vgl. Meldung vom 2004-10-06.)

Den BtL-Kraftstoff gibt es schon, allerdings noch nicht an der Tankstelle. Die sächsische Firma Choren Industries in Freiberg hat ein mehrstufiges Verfahren entwickelt, das aus Holz Gas macht und aus dem Gas flüssigen Kraftstoff. Volkswagen und DaimlerChrysler betanken damit bereits problemlos Versuchsfahrzeuge – mit ganz normalen Dieselmotoren. Ein neues Tankstellennetz ist für SunDiesel nicht nötig.

Einen Dämpfer erhält die BtL-Euphorie durch den Flächenverbrauch. Wie viel Acker ist nötig, um den Kraftstoffhunger zu stillen, darüber streiten sich die Gelehrten. Die Mineralölwirtschaft rechnet vor, mit 89 Prozent der deutschen Ackerfläche könnte man den deutschen Bedarf an Diesel decken – ein unrealistisches Szenario. Viele haben bereits die menschenarmen Regionen der Ost-EU und der Ukraine im Visier.

Das Umweltbundesamt sieht ebenfalls große Potenziale in BtL. Als Vorteil zählt, dass man verschiedene Pflanzenarten verwenden kann: neben Holz auch Getreide und möglicherweise sogar Biomasse aller Art. Damit kann man Monokulturen vermeiden.

Was dem UBA aber fehlt, sind verlässliche Zahlen zur Energie- und Ökobilanz. “Da kommen bisher keine Daten rüber”, beschwert sich Andreas Ostermeier, beim UBA zuständig für alternative Antriebe und Kraftstoffe. Der UBA-Fachmann sieht trotzdem für BtL wesentlich mehr Zukunft als für andere Biokraftstoffe wie Rapsdiesel. Der hat derzeit einen Marktanteil von knapp zwei Prozent und ist vielerorts herkömmlichem Diesel beigemischt. Ostermeier ärgert sich darüber, dass Rapsdiesel, Pflanzenöle und Ethanol aus Stärke und Zucker als Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer befreit sind. “Damit fördert man eine Technik von gestern”, sagt der UBA-Fachmann. “Mit dem gleichen Geld könnte man zehnmal so viel Klimagas einsparen durch Energiesparmaßnahmen wie Wärmedämmung”, schimpft Ostermeier. Auch bei stationären Biomassekraftwerken bekomme man mehr Klimaschutz dafür. Die Steuerausfälle betragen pro Jahr mindestens 400 Millionen Euro – Tendenz steigend. (Vgl. Meldung vom 2004-07-27.)

Über Rapsdiesel, Traktor-Pflanzenöl und Ethanol ist ein heftiger Ökostreit ausgebrochen. UBA-Experte Ostermeier meint, die vehementen Befürworter von Eurosolar, die Bundestagsabgeordneten Hans Josef Fell (Grüne) und Hermann Scheer (SPD), seien “leider beratungsresistent” bei den Biokraftstoffen. Rapsdiesel zum Beispiel mindere zwar Klimagasemissionen, aber nicht so viel wie BtL. Negativ sei vor allem die Bodenbelastung durch Dünger und Pestizide in den Monokulturen.

“Das UBA ist nicht nicht auf dem Stand der Diskussion”, kontert Fell. Man könne Raps auch anders anbauen. Und mit Traktorenöl aus Leindotter oder Sonnenblume könne die Wertschöpfung beim Landwirt bleiben. “So schlecht wie Erdöl kann das gar nicht sein”, meint Fell, der großen Forschungsbedarf für alle Arten der Biokraftstoffe sieht. Er bekennt sich “als Fan von BtL”, warnt aber davor, dass Industrie und Politik einseitig nur noch darauf setzen.

Die Hoffnung auf den SunDiesel lässt eine andere Zukunftsvision noch ferner erscheinen: das emissionsfreie Wasserstoffauto mit oder ohne Brennstoffzelle. Zwar beteuern VW, DaimlerChrysler und BMW, sie ließen von Forschung und Entwicklung nicht ab. Ungelöst ist aber nach wie vor, wie der Wasserstoff umweltfreundlich erzeugt werden kann, denn das ist nur sinnvoll mit erneuerbaren Energien. Zudem erfordert der explosive Stoff eine neue Tankstellen-Infrastruktur.

Viel besser steht es um das Hybridfahrzeug, das von einem Elektromotor mit Batterie angetrieben wird und auch einen Dieselmotor hat – eine ausgeklügelte Energiespartechnik. Zwar arbeiten auch die deutschen Autobauer daran, aber nur Toyota stellt derzeit beim internationalen Automobilsalon in Paris ein Hybridauto zur Schau: das Erfolgsmodell Prius, das 4,3 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht. Prius ist ein Hit bei den Promis in Hollywood, aber auch weltweit erfolgreich.

Zwar haben die Deutschen beim SunDiesel vom Acker die Nase vorn. Aber im Energiesparen bei Autos sind sie keine Weltmeister. Die deutschen Autohersteller kommen ihrer Selbstverpflichtung zur Minderung des CO2-Ausstoßes nur schleppend nach, klagt das Umweltbundesamt. “Mit heutiger Technik wäre bereits eine Halbierung möglich”, sagt UBA-Verkehrsexperte Ostermeier.

(Vgl. Meldung vom 2004-09-24.)

Source

Mit freundlicher Genehmigung der taz-die tageszeitung Nr. 7479, brennpunkt 2, Seite 6 vom 2004-10-05.

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