Rohstoffpotenzial von Algenreaktoren überschätzt?

Algen-Euphorie bei Hamburger Pilotprojekt in der Kritik

In einem Pilotprojekt in Hamburg-Reitbrook soll die Alge Chlorella hamburgensis aus hiesigen Gewässern zukünftig Kohlendioxid aus den Abgasen eines Heizkraftwerks abbauen (vgl. Meldung vom 2007-11-02). Während Axel Gedaschko (CDU), der Innensenator der Stadt, von einem “herausragende(n) Einzelprojekt des Hamburger Klimaschutzprogramms” spricht, warnt Biotechnologe Prof. Herbert Märkl, der seit den 70er-Jahren Algenreaktoren entwickelt, im Hamburger Abendblatt vor Euphorie.

“Es ist illusorisch zu glauben, Algen könnten einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten”, relativiert der Spezialist für Bioverfahrenstechnik und emeritierter Professor der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) die Bedeutung des Projekts. “Und zur Produktion von Biomasse sind Freiland-Anlagen höchstens in sonnenreichen Ländern geeignet.”

“In den besten Reaktoren wuchs pro Quadratmeter 30 Gramm Algenmasse heran. Übertragen auf die etwa 4.000 Quadratmeter Kollektorfläche, die nach Presseberichten bei dem E.on-Projekt in Reitbrook vorgesehen sind, lassen sich im Jahr maximal 44 Tonnen Biomasse produzieren. Dabei würden 80 Tonnen Kohlendioxid gebunden”, rechnet Märkl vor und nimmt dabei Bezug auf Algenreaktoren in wärmeren Regionen wir etwa Israel. Da die Hamburger Anlage im kühleren Deutschland steht, sei sogar nur eine Jahresproduktion von 24 Tonnen Algen realistisch, die 44 Tonnen CO2 unschädlich macht.

Martin Kerner, Leiter des Vorhabens in Hamburg-Reitbrook, rechnet dagegen damit, dass in Reitbrook mindestens 150 Tonnen Algen pro Jahr heranwachsen, die etwa 450 Tonnen CO2 binden werden. Am Hamburger Projekt stört Märkl neben den 500.000 Euro, die die Stadt beisteuert, vor allem die Vorstellung, Algen könnten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Kerner aber zeigt sich zuversichtlich: “Wir liegen mit der anvisierten Jahresproduktion von 150 Tonnen nicht ganz falsch – und ein Potenzial nach oben ist ebenfalls da.” Dabei verweist er auf eine Anlage in Klötze (Sachsen-Anhalt), die mit der Mikroalge Chlorella vulgaris jeweils von Frühjahr bis Oktober 108 Tonnen Biomasse pro Hektar erzeugt. Hier geht es allein um Rohstoffproduktion, vor allem zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Mikroalgen sind in einem 500 Kilometer langen Röhrensystem untergebracht; als Lichtquelle dient ausschließlich Sonnenlicht.

Siehe auch Beitrag “Algen als Klimaschützer? – Hamburger Vorzeigeprojekt entfacht Expertenstreit” im Hamburger Abendblatt vom 2007-11-29.

(Vgl. Meldungen vom 2007-11-02, 2007-11-20 und 2007-11-09.)

Source

Hamburger Abendblatt, 2007-11-29

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