Reetdächer in Norddeutschland noch beliebt

Etwa 180 norddeutsche Fachbetriebe beschäftigen sich auch heute noch mit der uralten Handwerkskunst des Reetdachbaus sowie dessen Pflege. Horst Oellrich, Chef der Dachdecker-Innung in Stade schreibt dem traditionellen Beruf sogar steigende Perspektiven zu, denn auch der etwa doppelt so hohe Preis hält viele Hausbauer nicht davon ab, ihre Häuser mit Reet decken zu lassen, was nicht nur der Optik, sondern auch dem besseren Wohnklima dienlich ist. “Im Sommer hält es kühl, im Winter warm. Es kommt zwar nicht dem Energiesparhaus gleich. Doch um den gleichen Wärmeaustausch und die gleiche Isolierung wie ein 40 Zentimeter starkes Reetdach zu erreichen, müsste man ein 80 Zentimeter dickes Mauerwerk mit Hohlschicht bauen”, erklärt der Handorfer (Landkreis Lüneburg) Reetdachdecker Jürgen Klevesath hierzu.

Das verwendete, bis zu 2,40 Meter lange Stroh wird heutzutage allerdings aus aus Ungarn, Rumänien, Österreich, der Türkei, Polen und seit kurzem auch aus der Ukraine importiert. “Welches Material wir nehmen, wird je nach benötigter Länge und Halmhärte von Baustelle zu Baustelle anders entschieden”, erläutert Klevesath, der sich auch noch auf die herkömmliche Art des Reet-Nähens versteht: “Mit einem Klopfbrett gleichen wir die Halme von unten her der Dachneigung an”, dann wird der Bindedraht mit einer langen gebogenen Nadel unter das Dach geführt und mit einer Hakennadel an anderer Stelle wieder herausgeholt. Die teilweise noch in Schleswig-Holstein praktizierte Methode erfordert einen zweiten Mann: “Der Unternäher sitzt dann unterm Dach und gibt die Nadel zurück”, schildert der Fachmann.

Hans Wilhelm Raap, Fachgruppenleiter der Innung Stade, der auch den einzigen Ausbildungsbetrieb für Reetdachdecker führt, weiß viel zur Pflege der Naturdächer: “Nach 15 bis 20 Jahren muss so ein Dach gereinigt und vom Moos befreit werden” – üblich sei dann auch meist eine Erneuerung des Firstbereichs, aber so könne ein Reetdach gut 50 Jahre halten. Auszubildende können sich in Niedersachsen nach dem Berufsgrundjahr und einem praktischen Jahr als Hartpfannen-Dachdecker im dritten Lehrjahr auf den Reetdachbau spezialisieren. “Erst seit wenigen Jahren gibt es eine Ausbildungsverordnung dafür”, so Meister Raap.

(Vgl. auch Meldung vom 2000-01-05.)

Autorin: Marion Kupfer (nova)
Endredaktion: Michael Karus (nova)
Quelle: Bremer Nachrichten vom 2002-04-03.

Source

Bremer Nachrichten vom 2002-04-03.

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