Quo vadis PHAs? Vor allem die Kunststoffpolitik wird über ihre Zukunft entscheiden

Kongressbericht zum „1st PHA platform World Congress“, 04.-05. September in Köln, Deutschland (Autor: Michael Carus, Geschäftsführer nova-Institut GmbH)

Polyhydroxyalkanoate oder PHAs sind eine Gruppe von Polyestern (eine Plattform), die in der Natur von zahlreichen Mikroorganismen, insbesondere Bakterien, produziert werden, welche sie als Energiespeicher nutzen. PHAs sind natürliche Polymere mit thermoplastischen Eigenschaften und haben einzigartige Eigenschaften wie biologische Abbaubarkeit in fast jeder Umgebung, sogar im Meer. Sie können für sehr unterschiedliche Eigenschaften entwickelt und in zahlreichen Anwendungen eingesetzt werden.

English version: https://renewable-carbon.eu/news/quo-vadis-phas-plastics-politics-in-particular-will-decide-their-future/

Seit mehr als 20 Jahren versuchen Forschungsinstitute, Start-ups und etablierte Chemieunternehmen, verbesserte PHAs für spezielle Anwendungen herzustellen und auf den Markt zu bringen. Aber der kommerzielle Erfolg ist noch begrenzt: Die globalen Kapazitäten dürften bei rund 80.000 t liegen, verteilt auf viele Kleinproduzenten. Die tatsächliche Produktion ist noch geringer und wurde für 2017 auf 10.000 bis 20.000 Tonnen geschätzt. Kunststoffe, die auch im Meer leicht zerfallen, wären eigentlich ideal, um den zunehmenden Kunststoffabfallströmen entgegenzuwirken, vor allem angesichts der wachsenden Meeresverschmutzung und des Mikroplastik-Problems. Was sind also die Hürden für den wahren Erfolg?

1)Organizer of the “1st PHA platform World Congress”: Michael Thielen, publisher of the bioplastics MAGAZINE, and Jan Ravenstijn, world leading PHA expert.
1) Organizer of the “1st PHA platform World Congress”: Michael Thielen, publisher of the bioplastics MAGAZINE, and Jan Ravenstijn, world leading PHA expert.

Ein Besuch auf dem „1st PHA platform World Congress“, 4.-5. September in Köln, Deutschland, brachte Klarheit. Mit einer beeindruckenden Anzahl von 165 Teilnehmern waren fast alle Entwickler, Hersteller, Compoundeure und Anwender im Bereich der PHAs vertreten und teilten ihre neuesten Technologien und Marketingstrategien. Lange Zeit war dies ein Traum von Dr. Michael Thielen, Herausgeber des Biokunststoffmagazins, und Prof. Jan Ravenstijn, einem weltweit führenden Experten für PHAs und andere biobasierte Polymere. Nun wurden ihre Träume mehr als erfüllt.

Also, quo vadis PHAs? Es war beeindruckend zu sehen, wie weit sich entwickelt einzelne PHA-Sorten entwickelt haben und wie viele verschiedene Anwendungen durch die Flexibilität und Vielfalt ihrer Eigenschaften abgedeckt werden können. Jan Ravenstijn eröffnete den Kongress mit seinem Vortrag „Umgang mit den Chancen und Herausforderungen auf der PHA-Plattform“. Er gab einen umfassenden Überblick über die mehr als 40 PHA-Hersteller weltweit und über Anwendungsbeispiele von PHA-Produkten in Thermoplasten und Duroplasten, in langlebigen und kurzlebigen Artikeln und in Substitutionsmöglichkeiten von Massen- und technischen Polymeren.

Die Marktführer Kaneka (JP) und Danimer Scientific (USA) zeigten nicht nur ein breites Spektrum an PHA-Sorten und -Eigenschaften, sondern auch Zertifikate von TÜV Austria und DIN Certco über den biologischen Abbau in verschiedenen Umgebungen, wie z. B. Heim-Kompostierung, im Boden, Süßwasser oder sogar im Meer. Kaneka gab Pläne bekannt, ihre PHA-Produktion im Jahr 2019 auf 5.000 t jährlich auszuweiten.

2)Li Teng from Bluepha (China) presented “Industrial-scale Low-cost P(3HB-co-4HB) Production via an open Fermentation Process” at “1st PHA platform World Congress”
2) Li Teng from Bluepha (China) presented “Industrial-scale Low-cost P(3HB-co-4HB) Production via an open Fermentation Process” at “1st PHA platform World Congress”

Die am weitesten entwickelten PHAs sind PHBH (P(HB-co-H); Poly(3-hydroxybutyrat-co-3-hydroxyhexanoat) und PHBV (P(HB-co-V); Poly(3-hydroxybutyrat-co-3-hydroxyvalerat), die wiederum ein breites Anwendungsspektrum bieten. Sie können für Mulchfolien, für Schleppseile und Netze in der Fischerei und sogar als Kleber für Fischfutter verwendet werden. Weitere Anwendungen sind Folien (für Verpackungen), Lacke, Industrieklebstoffe, Kosmetika, Konsumgüter mit Spritzguss und 3D-Druck (FKuR (DE) und Helian Polymers (NL)). Einige Unternehmen präsentierten auch Anwendungen für Bau- und Textilfasern („soft, cool, smooth“, Centexbel (BE) und Mango Materials (USA)) sowie Gewebe für medizinische Implantate (AMIBM DE/NL). Schließlich können landwirtschaftliche Düngemittel mit PHA beschichtet werden, um die Stickstofffreisetzung zu optimieren (Pursell Agri-Tech, USA). Alle diese Anwendungen und noch mehr sind, zumindest in kleinen Stückzahlen, bereits im kommerziellen Einsatz.

Die PHA-produzierenden Bakterien verdauen Zucker, Stärke oder Pflanzenöl zu PHAs. Es wurden mehrere Projekte zur Nutzung organischer Abwasserströme für die PHA-Produktion vorgestellt, die die Produktionskosten senken sollen. Solange eine ausreichende Nachfrage besteht, ist dies wirtschaftlich interessanter als die subventionierte Erzeugung von Biogas. Paques und Phario aus den Niederlanden haben beispielsweise große Pläne, PHBV aus Abwasser zu produzieren, und ihr erstes Demonstrationsprojekt wird 2019 beginnen.

Ein weiterer interessanter Ansatz wurde von der chinesischen Firma Bluepha vorgestellt: Sie nutzen einzigartige PHA-produzierende Mikroorganismen, die auch im Salzwasser überleben und haben diese über das Standard-Metabolic Engineering hinaus programmiert, um die Ausbeute zu verbessern, die Abtrennung ihres P3HB4HB (P(3HB-co-4HB); Poly(3-hydroxybutyrate-co-4-hydroxybutyrate) von der restlichen Biomasse zu vereinfachen und deutlich geringere Herstellungskosten zu erreichen.

Die Biopolymer-Compounder Biotec (DE) und Modified Materials (NL) erwähnten die zentralen Herausforderungen von PHAs:

  • Preis – mit ca. 4 €/kg sind PHAs deutlich teurer als herkömmliche Massenpolymere. Der Einsatz von organischem Abwasser könnte die Kosten senken.
  • Gleichbleibende Eigenschaften in verschiedenen Auslieferungen.
  • Verbesserung der Performance.
  • Zulassung für Lebensmittelkontakt.
  • Alterung der Materialien.

Verschiedene Politik- und Strategiepräsentationen (Ellen MacArthur (UK), FullCycle Bioplastics (USA), nova-Institut (DE) und Narocon (DE)) zeigten, dass die Zukunft der PHA-Plattform maßgeblich von der zukünftigen politischen und gesellschaftlichen Akzeptanz abhängt. Ist die Plattform Teil der Lösung des Kunststoffabfallproblems, oder ist sie Teil des Problems? Verschiedene Beispiele aus der kalifornischen Gesetzgebung, Greenpeace-Berichte und Kunststoff- und Abfallstrategien der Europäischen Kommission zeigen Bedenken hinsichtlich biologisch abbaubarer Kunststoffe als Lösung auf. Hunderte von Marken und Unternehmen haben ein klares Ziel für ihren zukünftigen Kunststoffeinsatz: 100 % aller Kunststoffe sollten wiederverwendbar, recyclebar oder kompostierbar sein. Doch wie hoch wird der Anteil biologisch abbaubarer Kunststoffe im Vergleich zum Recycling sein?

Wenn PHAs zu einem erneuertem Vertrauen in biologisch abbaubare Kunststoffe als Teil der Lösung führen können, schaffen sie Zugang zu riesigen Märkten. Um dies zu erreichen, sind transparente und solide Informationen und Dokumentationen notwendig, ohne mehr zu versprechen, als die Materialien halten können. Die PHA-Branche braucht überzeugende Fallstudien und die richtigen Anwendungen, z. B. dort, wo Sammlung und Recycling nicht möglich sind und PHAs Vorteile schaffen, die andere Materialien nicht bieten können. Die umfassende Nutzung von Zertifizierungen für verschiedene organische Abbaustandards (Industrie, Haushalt, Boden, Marine) ist entscheidend, um das Vertrauen zurückzugewinnen (OWS (BE)).

Der „1st PHA platform World Congress” wurde von der Industrie begeistert aufgenommen. Es war genau das, was die Spieler im PHA-Puzzle brauchten. Neue Kontakte wurden geknüpft, alte aufgefrischt und gemeinsame Projekte gestartet: Vier Personen haben sich zusammengetan, um den Kongressteilnehmern einen Vorschlag für einen globalen Branchenverband der PHA-Plattform zu unterbreiten.

Die Unternehmen sind bereit, PHAs in geeigneter Qualität und in ausreichender Menge herzustellen. Sie wollen ihren Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen leisten. Aber die Brücke zu Politik und Gesellschaft muss noch gebaut werden, um das volle Potenzial der PHA-Plattform zu erkennen und zu realisieren.

Einige PHA-Hersteller und Compoundierer finden Sie hier: http://bio-based.eu/ibib/?c50

 

Pressemitteilung als PDF: 18-09-24 PM PHA-Congress Bericht

Source

nova-Institut GmbH, Pressemitteilung, 2018-09-14.

Supplier

bioplastics MAGAZINE (Zeitschrift)
Bluepha
DaniMer Scientific
DIN CERTCO Gesellschaft für Konformitätsbewertung
Jan Ravenstijn Consulting
Kaneka Corporation
nova-Institut GmbH
TÜV AUSTRIA Group

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