Österreich: Alternativdämmstoffe aus modifizierten Lignocellulosefasern

Holzforschung Austria entwickelt neue Dämmstoffe

Das langjährige Engagement von Holzforschung Austria in vielen Bereichen des Bauwesens und in der Zellstofftechnologie hat zur Entwicklung eines neuen Dämmstofftyps aus Nebenprodukten der Zellstoffherstellung geführt. Zwei im Labormaßstab hergestellte Varianten – schüttfähige, weitgehend staubfreie Granulate und Endlosvliese – waren hinsichtlich ihrer Dämm- und Verarbeitungseigenschaften so vielversprechend, dass sie zum Patent angemeldet wurden und in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit Herstellern und Verarbeitern weiter entwickelt und zur Produktionsreife gebracht werden sollen.

Einleitung:
Allein in Österreich wurden im Jahr 2002 3,6 Millionen Kubikmeter an Dämmstoffen zur Wärmeisolation von Gebäuden verbraucht. Das steigende ökologische Bewusstsein, die Verknappung und Verteuerung fossiler Brennstoffe und die Einführung neuer Baumaterialien lassen in den kommenden Jahren große Steigerungsraten des jährlichen Dämmstoffeinsatzes erwarten.

Gegenwärtig werden vor allem mineralische Fasern (Glaswolle, Mineralwolle) und geschäumte Polymere (Polystyrol; Polyurethan) zur Wärmedämmung im Bauwesen eingesetzt. Diese Dämmstoffe haben hervorragende Dämmeigenschaften und sind äußerst kostengünstig, Mineralwolle ist außerdem unbrennbar. Die Herstellung dieser Dämmstoffe ist allerdings sehr energieaufwändig, außerdem wurden in den letzten Jahren wiederholt ökologische und gesundheitliche Bedenken hinsichtlich der Herstellung, der Verarbeitung, der Einflüsse auf das Raumklima und der Entsorgung dieser Materialien geäußert.

Suche nach Rohmaterialien aus biogenen Quellen
Aus diesen Bedenken heraus wurde und wird an vielen Stellen nach brauchbaren Alternativen aus biogenen Materialien gesucht, die den Anforderungen eines zeitgemäßen, effizienten Dämmstoffes entsprechen, die ebenso kostengünstig sind und die erwähnten Nachteile nicht aufweisen. Obwohl zahlreiche Produkte entwickelt wurden, konnten sie sich bislang nicht durchsetzen und fristen mit einem Marktanteil von ca. 6,8% (1997) in Österreich bzw. von 5,3% (1999) in Deutschland quasi immer noch ein Schattendasein neben den herkömmlichen Marktführern (s. Tabelle 1). Noch wesentlich geringer ist davon der Anteil der Dämmstoffe auf Zellstoffbasis.

Tabelle 1: Verbrauchsdaten und Marktanteile in Österreich von Dämmstoffen (Stand 1997;aus: „Dämmstoffe im Vergleich“; TEL-Mineralwolle AG; Stockerau 1997)
Tabelle 1

Trotzdem wird z.B. in einer Studie, die im Rahmen des vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BmVIT) initiierten Impulsprogramms „Haus der Zukunft“ erstellt wurde, den „alternativen“, auf biogenen Materialien basierenden Baumaterialien eine prosperierende Zukunft prognostiziert. Besonders hinsichtlich der Wärmedämmung im Sommer und der Auswirkungen auf das Raumklima weisen Dämmstoffe aus Lignocellulosefasern wesentlich bessere Werte als herkömmliche auf.

Diese „Alternativdämmstoffe“ aus biogenen Rohstoffen rekrutieren sich vor allem aus pflanzlichen Materialien (Fasern und Stroh aus Einjahrespflanzen; Altpapier; Zellstoff; Holzwolle, Hobel- und Sägespäne; Kork) und Schafwolle. Die Rohmaterialien sind allesamt biologisch abbaubar, was natürlich bei der Entsorgung wünschenswert ist, aber hinsichtlich der Stabilität in einem Bauwerk ein großes Problem darstellt. Zum Teil sind sie pilzanfällig und zum Teil von Insekten als Nahrungsquelle nutzbar. Außerdem sind alle mehr oder minder brennbar und müssen mit Flammschutzmitteln ausgerüstet werden, die wiederum als ökologisch bedenklich gelten. Je nach Art des Rohstoffes treten darüber hinaus natürlich jeweils individuelle Schwierigkeiten bei der Herstellung und Verarbeitung auf.

Gerade wegen dieser anfänglich unbewältigbar erscheinenden Probleme ist die Entwicklung von Dämmstoffen aus biogenen Materialien eine technologische Herausforderung, die mit dem Wunsch der Industrie und der Endnutzer nach brauchbaren, ökokompatiblen Alternativen zu herkömmlichen Dämmstoffen einhergeht.

Entwicklung von biogenen Dämmstoffen bei Holzforschung Austria
Holzforschung Austria hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Potenzial der „Wertschöpfungskette Holz“ immer weiter auszuloten und zu erschließen. Die Beschäftigung mit konstruktiven Fragen von Gebäudehüllen, mit der Charakterisierung und Entwicklung von Holzwerkstoffen sowie die reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Holz- und Cellulosechemie haben den Ausschlag zur synergistischen Nutzung der hauseigenen Ressourcen bei der Entwicklung eines Dämmstoffes aus Lignocellulosematerial gegeben.

Ausgehend von den oben beschriebenen Trends zur vermehrten Nutzung biogener Dämm-Materialien haben wir uns das Ziel gesetzt, einen vielseitig einsetzbaren, ökokompatiblen und marktfähigen Dämmstoff zu entwickeln.

Ein Projekt im Rahmen des Impulsprogrammes Nachhaltig wirtschaften – Haus der Zukunft des BmVIT bildete die Basis für die Entwicklung von Prototypen aus Nebenprodukten der Zellstoffherstellung. In ausgedehnten Versuchsserien wurden Rohstoffe sowie Ausrüstungen zur Hydrophobierung und zur Verbesserung der Brandbeständigkeit untersucht. Die nun vorliegenden Produktvarianten

  • wurden aus Ausschussfasern (Rejekten) der Zellstoffindustrie entwickelt
  • wurden bisher in zwei Anwendungsformen in einem Nassverfahren produziert, nämlich als schüttfähiges Granulat („KlimaKorn“) und als Vliesmatte („KlimaWeb“)
  • liegen hinsichtlich ihres Brandverhaltens, ihrer Wärme dämmenden Eigenschaften und ihres Feuchteverhaltens im Bereich etablierter Dämmstoffe aus pflanzlichen Materialien (siehe Tabelle 2 mit beispielhaften Ergebnissen).

Tabelle 2: Eigenschaften von Granulat und Vliesstoff
Tabelle 2

Die von Holzforschung Austria entwickelten Dämmstofftypen sind das Ergebnis ausgedehnter Vorarbeiten, bei denen unterschiedliche Rohstoffe und Verfahren zur Ausrüstung untersucht und erste Erfahrungen mit verschiedenen Verarbeitungsformen gesammelt wurden. Die bisherigen Arbeiten waren auf den quantitativen und qualitativen Einsatz von Chemikalien, auf das Brandverhalten und auf das Feuchteverhalten fokussiert.

Ausgehend von der Idee, Nebenprodukte der Zellstoffherstellung (Rejekte) als Rohstoffe zu verwenden und einen „integrierten“, also am Ort des Rohstoffanfalls etablierten Herstellungsprozess zu entwickeln, wurde ausschließlich an unterschiedlichen Nassverfahren gearbeitet. Der Vorteil davon ist, dass die Verarbeitung vor Ort ohne Zwischentrocknung in relativ kleinem Maßstab erfolgen kann und damit die Transportportwege zu den jeweiligen Anwendern minimiert werden können.

Die Untersuchung zahlreicher Verfahrensvarianten ergab so positive Ergebnisse, dass eine zum Patent angemeldet wurde. Besonderes Augenmerk wurde auf die chemische Ausrüstung gelegt, die ebenfalls nass eingebracht wurde. Dadurch werden die Chemikalien direkt an die Fasern angelagert und zum Teil über Wasserstoffbrücken gebunden, so dass im wesentlichen staubfreie Produkte entstehen.

klimakorn

Abbildung 1: schüttfähiges Dämmstoffgranulat aus Zellstoff-Fasern („KlimaKorn“; mittlerer Korndurchmesser ca. 5 mm)

Das erste Produkt, „KlimaKorn“ ist ein Granulat, das sich durch hervorragende Schüttfähigkeit, geringe Staubfreisetzung bei der Verarbeitung und hohe Formstabilität auszeichnet. Außerdem ist durch die Art der Chemikalieneinbringung und durch den maßvollen Einsatz von Chemikalioen (z.B. Borverbindungen) die Gefahr des Auswaschens und ökologischer Schäden bei der Entsorgung gegenüber vielen anderen Materialien deutlich reduziert. Derzeit wird das Granulat in einem groß angelegten Dauerversuch unter Praxisbedingungen geprüft, in dem das Feuchte- und Dämmverhalten sowie die Dimensionsstabilität untersucht werden.

klimaweb

Abbildung 2: Dämmstoff-Vlies aus Zellstoff-Fasern („KlimaWeb“; Dicke der Matten auf dem Bild ca. 10 bzw. 20 m)

Wenn das in der Folge entwickelte Faservlies „KlimaWeb“ auch erst am Anfang seiner Entwicklung steht, hat es bereits jetzt hervorragende Dämmeigenschaften und relativ gute Festigkeit, die ein wichtiges Kriterium bei der Verarbeitung darstellt (Abbildung 2).
Beide Produkte werden derzeit von unabhängigen Stellen hinsichtlich der für die Zulassung als Baustoff relevanten Kriterien überprüft.

Ausblick: auf dem Weg zum Produkt
Angespornt von den erfolgversprechenden Ergebnissen, haben wir uns entschlossen, das Optimierungspotenzial beider Produkte auszuloten und sie bis zur Marktreife weiter zu entwickeln. Dabei haben wir uns folgende Ziele gesteckt:

  • Suche nach weiteren Rohstoffen: Ein wesentlicher Nachteil vieler pflanzlicher Faserstoffe ist ihre – im Vergleich zu mineralischen Dämmstoffen – beschränkte Verfügbarkeit und die damit verbundenen hohen Kosten. Wir planen insbesondere Reststoffe zu veredeln, die in großer Menge bei der Faserproduktion anfallen, und damit aus einem billigen Abfallprodukt einen Wertstoff herzustellen. Dabei werden wir neben der Kostenminimierung besonders ökologische Faktoren, die Kompatibilität der Rohstoffe mit der Brandschutzausrüstung und die Beibehaltung der günstigen Verarbeitungseigenschaften (Schüttfähigkeit; Formstabilität) beachten.
  • Entwicklung einer neuen Variante von KlimaKorn, die der Brandschutzklasse B1 („schwer entflammbar“) entspricht.
  • Entwicklung von neuen Produktionsformen von KlimaWeb, die gegenüber dem Prototyp besseren Flammschutz, erhöhte Formstabilität und Festigkeit sowie verringerte Produktionskosten aufweisen. Die Schwerpunkte werden dabei der Einsatz umweltfreundlicher Bindemittel und die Entwicklung einer geeigneten Oberflächenstruktur sein.

Gemeinsam mit kompetenten Partnern, die sich aus dem Kreis der Faserstoffhersteller und der Anwender von Dämmstoffen (z.B. Bauindustrie, Fertigteilproduzenten) rekrutieren, wollen wir in einem Folgeprojekt unsere Produkte zur Marktreife bringen.

Danksagung
Wir bedanken uns beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, beim ERP-Fond und bei der Arbeitsgruppe „Haus der Zukunft“ der Östereichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) für die wohlwollende Unterstützung und die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

Kontakt:
Holzforschung Austria
Dr. Michael Gann
Franz-Grill-Straße 7
A-1030 Wien
Tel.: +43-1-798 26 23-0
Fax: +43-1-798 26 23-50
E-Mail: hfa@holzforschung.at
Internet: www.holzforschung.at

(Vgl. Meldungen vom 2003-03-27 und 2003-02-13.)

Source

Mitteilung der Holzforschung Austria vom 2003-04-02.

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