nova-Kongressbericht: MATERIALICA 2005 – Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen mehrfach ausgezeichnet

Auf der Materialica überzeugten Naturstoffe insbesondere im Design

Die MATERIALICA versteht sich als branchenübergreifender “Marktplatz” für innovatives Product Engineering. Flächenmäßig nimmt der “Bereich Plastics & Composites World” den größten Teil ein und bildet so einen adäquaten Rahmen für die Präsentation von Halbzeugen und Bauteilen für die Branchen Automotive, Aerospace, Maschinenbau, Sport, Medizin und Konsum. Sie stellt den Dialog zwischen Produktentwicklern und -Managern, zwischen Designern, Einkäufern und Anwendern, zwischen Herstellern und Lieferanten her – über alle Verfahren und Werkstoffanwendungen hinweg. Fachbesucher finden hier Materialien und Verfahren für die Verbesserung und die schnelle Serienreife ihrer Produkte sowie alle nötigen Partner auf einer einzigen Plattform.

Der MATERIALICA Design Award

Hier haben Designer und Materialhersteller die Möglichkeit, neue Wege und innovative Vorgehensweisen bei der Gestaltung Sonderschau “MATERIALICA Design Show” Spezialthemen für die Entwicklung und Entwicklung von Produkten und dem Einsatz von Materialien vorzustellen. Den sinnlich-emotionalen Qualitäten eines Materials, wie Optik, Haptik, Geruch, Klang, die für den Markterfolg entscheidende Bedeutung haben können, wird hier Rechnung getragen. Die MATERIALICA Design Show präsentierte die Gewinner.

Auf dieser Messe mit hochkarätigem Fachpublikum aus der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie aus der Medizintechnik und vom Design präsentierten insgesamt alle Anbieter ausschließlich Spitzenprodukte.

Zum Publikumsmagneten wurde der Stand der Firma Bark Cloths aus Ebrinngen. Die bereits mit dem iF-Design-Award 2005 des renommierten “International Forum Design” ausgezeichneten Produkte überraschten nicht nur Metall orientierte Maschinenbauer: Auch eine Gruppe junger Designer diskutiert angeregt über eine Jacke, die auf den ersten Blick wie Leder erscheint, und über eine Auto-Mittelkonsole mit Holz-Flair.

RindeUnd damit lagen die Studenten richtig: Bartex ist tatsächlich echtes Holz! Genauer gesagt, die aufbereitete Rinde des Feigenbaums (ficus natalensis). Das Material wird vorrangig in Uganda, aber auch in Südamerika in Handarbeit geerntet, mit Holzklöppeln mehrere Tage lang weich geklopft und schließlich zu einem flachen Tuch ausgetrieben und vernäht. So entstehen astlose, Vlies-ähnliche Bahnen von unbegrenzter Dimension. Die dauerhafte Flexibilität und die ungewöhnliche Haptik inspirierten bisher Mode- und Textildesigner: Neben Jacken, Kleidern und Hüten wurden Geldbörsen und sogar Teppiche präsentiert.

Mit dem HPL-Beschichtungshersteller Dekodur als Partner ist es nun gelungen, das Naturmaterial in rechtwinklige Plattenformate mit standardisieren Eigenschaften zu bringen. Dazu wird das Rindentuch mit High-Tech-Phenol- und Aminoplastpapieren unter hohem Druck gepresst und seine Oberfläche durch Öl, Lack oder ein Overlay geschützt. Der Weg in den Massenmarkt der Plattenwerkstoffindustrie für Innenausbau und Möbelbau ist damit offen.

PlatteEbenfalls in der Kategorie “Material” wurde die Firma Moralt ausgezeichnet. Deren leichte Tischlerplatten sind “schwer” im Kommen: Die Premium-Platte “Lightwood Balsa Deco” hat eine Mittellage aus Balsa, beidseitig kaschiert mit Dünn-MDF oder Absperrfurnier. Die eigentliche Innovation dieser Sandwichplatte ist jedoch nicht das Material an sich, obwohl die beachtliche Gewichtsklasse von 150 kg/m3 erreicht wird, neu ist die senkrechte Anordnung der Fasern (Kopfholz), wodurch erheblich größere Druckkräfte aufgenommen werden können. Damit ist es inzwischen möglich diese Platten per Direktbeschichtung mit Kunstharzoberflächen und strapazierfähigen Hochdruckschichtstoffplatten zu versehen. Das Verfahren ist aus der herkömmlichen Spanplattenherstellung übernommen.

Ein weiterer Vorteil gegenüber konventionellen Wabenplatten ist, dass selbst bei geschweiften Formen problemlos eine dekorative Kante aufgebracht werden kann. Selbst Postforming-Ummantelungen von gewölbten Kanten sind möglich; aufwändige Rahmenkonstruktionen sind nicht erforderlich.
Bei entsprechend starken Deckschichten können selbst Möbelfüße montiert und Verbindungsmittel ohne weitere Verstärkung der Mittellage aufgesetzt oder eingelassen werden. Damit wird der erhöhte Materialpreis im Fertigungsprozess wieder aufgefangen.

Zwar ist die monatliche Produktionsmenge von z.Zt. 30-40 m3 noch verschwindend gering, jedoch bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten überall dort, wo “Masse” gleichbedeutend ist mit Energiekosten oder Zuladungsverlusten, z.B. im Nutzfahrzeugausbau, im Bootsbau und im Caravaning. Auf Seiten der Anwender werden Möbelmonteure und Messebauer im Sinne des Wortes “erleichtert” sein, dass wuchtige, bis zu 98mm starke Platten nun sogar alleine gehändelt werden können.

Abseits des Design-Awards waren die an der TU Dresden entwickelten, röhrenförmigen Formholzprofile ein echter Blickfang auf der Materialica. Auf den ersten Blick erscheinen sie wie übliche, formverleimte Objekte, tatsächlich ist die Basis ein echtes Hightech-Material.

Röhren Knoten

Bild 1: Textilbewehrte Formholzrohre, links: CFK, rechts: GFK lackiert – Bild 2: Räumlicher Verbindungsknoten im Modell

Der Entwicklung vorausgegangen waren folgende Überlegungen: Erstens wird Rundholz bei rechteckigen Querschnitten nur unzureichend ausgenutzt. Zweitens ist das typische Flächenträgheitsmoment im Ingenieurholzbau oft zu niedrig. Drittens besteht Holz im wesentlichen aus einer polymeren Ligninmatrix.

Zur Optimierung dieses traditionellen Werkstoffes entwickelte die Gruppe um Professor Dr.-Ing. Peer Haller ein spanloses, thermomechanisches Umformverfahren, das sich auf folgende Schritte zusammenfassen lässt:

1. Erhitzen des Fichtenholzes auf ca. 140°C
2. Verdichten mit 5MPa senkrecht zur Holzfaser auf ca. 50%, wodurch sich die Holzzellen wechselseitig falten
3. Verformen des nun elastischen Materials
4. langsames Abkühlen, wobei das Lignin erneut plastifiziert

Für die Rohre werden prismatische Querschnitte gepresst, die kreisförmig angeordnet und verleimt werden. Diese Formteile können zur weiteren Stabilisierung oder als Schutz vor direkter Bewitterung mit Carbon- oder Glasfaser textilbewehrt werden. (Vgl. Meldung vom 2004-02-02.)

Generell dominierten carbonfaserverstärkte Kunststoffe den großen Bereich “Plastics & Composites” auf der Materialica. Viele Hersteller berichteten zwar im Gespräch von eigenen Versuchen und Erfahrungen mit Naturfasercompounds, sie haben diesen Zweig aber aus unterschiedlichen Gründen (zunächst) nicht weiter verfolgt. Technisch liegen die naturfaserverstärkten Kunststoffe – verglichen mit Spezialkunststoffen – oftmals am unteren Ende der Erwartungen. So beklagte ein Hersteller die geringe Elastizität, ein anderer sieht nur begrenzte Möglichkeiten im Verschäumen und im Einsatz bei hohen Temperaturen. Die Zugfestigkeit von Carbon- oder Glasfaser könne ebenfalls nicht erreicht werden.

Die Firma Menzolit warb immerhin mit einem Poster für seine BIO-BMC, Composit-Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere aus Getreideschnitt. Auf Anfrage war zu erfahren, dass man aber auch hier die Einsatzbereiche von Bio-Kunststoffen vorrangig im unteren Marktsegment sieht, vielleicht sogar nur dort, wo eine lange Lebensdauer gar nicht erwünscht ist, wie bei Pflanzhilfen und Geo-Anwendungen.

KofferEin Aktenkoffer aus den Naturfasern Hanf (50%) und Kenaf (50%) der als Matrix das BASF-Duroplast Acrodur verwendet, fand sich beim Institut für Verbundwerkstoffe GmbH aus Kaiserslautern. Die Firma Dittrich Vliesstoffe (Ramstein-Miesenbach) hatte dieses Modell bereits auf der eiha-Konferenz 2004 präsentiert und seinerzeit eine ganze Produktreihe mit Aktentaschen, Brillenetuis etc. in Aussicht gestellt. An dieser Stelle diente das schöne Stück allerdings eher den Vergleichs-Schlüssen mit einem Konkurrenzmodell aus Carbonfasern.

Die Materialica wird von nahezu allen befragten Ausstellern als “(flächenmäßig) kleine, aber sehr feine Fachmesse” bezeichnet. Im Mittelpunkt steht das Material. Entweder wird ein bestehendes Material in eine neue Anwendung überführt, oder für eine bestehende Anwendung wird ein neues material gesucht und entwickelt. So werden immer wieder Prozesse optimiert , technische Eigenschaften modifiziert – und letztlich Erträge maximiert. Daher ist die Materialica keine Verkaufsmesse im engeren Sinne, sondern eine Plattform für die Beschaffung und Einsatz von Halbzeugen, Bauteilen sowie Verfahrenslösungen für die nächste Produktgeneration.

Im Rahmen eines integrierten Forums liefen während der gesamten Messezeit Vorträge und Diskussionen rund um Material-Innovationen. Ein Schwerpunktthema bildete die Nano-Technologie. Daneben wurde in diesem Jahr erstmals ein eigenständiger Kongress auf hohem Niveau für “Composites in Automotive und Aerospace” geschaffen. Die Themen Naturfasern und nachwachsende Rohstoffe sucht man im Programm jedoch vergebens.

Für das nächste Jahr bietet der Veranstalter MunichExpo mit der COMPOSITES (10.-12. Oktober 2006) ein neues Messekonzept, das eindeutig die Verbundwerkstoffe in den Fokus stellt. Vielleicht wagen sich dann mehr Hersteller von NR-Verbundwerkstoffen oder Wood-Plastic-Composites nach München.

Source

nova-Kongressbericht: Materialica 2005 vom 2005-09-22.

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