nova-Interview mit Heinrich Kranz (Vorstandssprecher Stoffkontor Kranz AG)

nova: Herr Kranz, im Jahr 2000 hat die Stoffkontor Kranz AG in China wilde Nesseln geerntet. Was wurde aus dem Material?

Kranz: Wir haben im letzten Jahr mit diesem Material erstmals alle Stationen der industriellen Produktion von Nesseltextilien durchgeführt. Viele Versuche wurden gefahren, angefangen bei den verschiedensten Unternehmen mit Entholzungsanlagen für Hanf oder Flachs. Es galt, die für Nessel beste Anlage zu finden. Dann wurden die ersten enzymatischen Prozesse in einer Großanlage getestet. Für die chinesische Nessel mussten neue Rezepturen gefunden werden, da das Material sehr ähnlich dem Hanf grob ist und unverhältnismäßig viele Klebstoffe zwischen den Fasern hat. Dann liefen die Versuche über verschiedene Karden, um die optimale Maschine zu finden. Schließlich wurden verschiedenste Spinnversuche durchgeführt, vom Reinnessel bis hin zu Mischungen mit Cellulosefasern. Die Garne wurden untersucht auf Eigenschaften und technische Daten. Erst dann konnte man über Webmaschinen erste Stoffproben herstellen, die dann auch noch auszurüsten waren. In allen Stationen der textilen Kette haben wir ausgezeichnete Kenntnisse gewonnen und neue Verfahren sind entstanden, die die Nesselproduktion noch weiter verbessern. Die chinesische Nessel war ein schwerer Brocken für uns, aber wir haben viel durch sie gelernt. Die Produktion steht nun in allen Stufen im industriellen Maßstab für chinesische und europäische Nessel.

nova: Werden Sie die chinesische Nessel auch in Zukunft als Rohstoff nutzen, gibt es dazu aktuelle Pläne in China?

Kranz: Bedingt könnte man das Material verwenden, jedoch eher für gröbere Stoffe. Betriebswirtschaftlich machen solche Importe aber keinen Sinn, es sei denn, es gäbe in China Verarbeitungsstufen, wie wir es schon im Okt. 2000 auf der a.o. HV erläutert hatten. Wir planen diesbezüglich keine Aktivitäten, da uns ein dann notwendiger Know-how-Transfer zu unsicher erscheint. Wir behalten unser Wissen zur Zeit lieber für uns.

nova: Wenn Sie den chinesischen Rohstoff ablehnen, was bleibt dann als Ressource übrig? Wie wollen Sie den Bedarf decken?

Kranz: Es gibt weltweit nur eine Rohstoffquelle für wirklich hochwertige Textilen: unsere europäischen Zuchtnesseln. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als immer mehr Felder mit Nesseln anzubauen. Unsere Vermehrungs- und Anbaumethoden sind einzigartig und hoch effizient. Genau genommen ist das unser eigentlicher Marktvorsprung.

nova: Was planen Sie an Anbaufläche in den nächsten Jahren, um den Bedarf zu decken?

Kranz: Bedarf hätten wir für 1.000 Hektar, aufgrund der enormen Nachfrage. Aber es geht nur Step by Step. Es braucht immer Kapital, wenn man expandiert. Und selbst wenn es vorhanden ist, braucht es Zeit, Pflanzen zu vermehren und wachsen zu lassen. Natürlich haben wir längst Pläne, wie man diese beiden Faktoren in einen sinnvollen Zusammenhang bringen kann. Sobald die Zeit dafür reif ist, werden wir sie umsetzen.

nova: Gibt es in Europa schon Mitbewerber?

Kranz: Noch gibt es keine Mitbewerber. Ansätze dazu könnten aus den hoch geförderten Projekten entstehen. Es ist schwer zu sagen, ob daraus wirklich Mitbewerber hervorgehen, ich zweifle allerdings daran. Vor Kurzem gab es auf Bayern 3 eine Fernsehsendung, die den aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung dieser Projekte wiedergab. Ich habe anschließend sehr ruhig schlafen können.

nova: Thema Fördergelder: Wie kommt es, dass Ihre AG noch keinen Cent an Fördergeldern für Nessel bekommen hat? Ist da nicht auch ein wenig falsch verstandener Stolz mit im Spiel?

Kranz: Mit dem Stolz ist das so eine Sache. Keine Frage, wir sind schon sehr stolz darauf, was wir erreicht haben. Aber Stolz ist kein Grund, Fördermittel auszuschlagen. Es liegt einzig an unserer Geschwindigkeit. Wenn man Innovationsführer bleiben will, um Marktführer zu werden, kann man sich nicht aufhalten lassen von langwierigen Anträgen. Da verliert man schnell ein bis zwei Jahre und hat nie die Garantie, dass man auch gefördert wird. Also packt man es an und nutzt die Zeit.

nova: Bedeutet das, Sie werden auch in Zukunft keine Förderanträge schreiben?

Kranz: Das wäre dann wirklich falsch verstandener Stolz. Natürlich haben wir längst Anträge formuliert, nur – Zusagen haben wir immer noch keine. Die Mühlen mahlen eben langsam.

nova: Herr Kranz, Sie sind mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen im Rahmen einer Wirtschaftsdelegation in China gewesen. Herr Gabriel müsste doch ein gesteigertes Interesse haben, die Stoffkontor Kranz AG gezielt zu fördern. Gibt es dazu etwas zu berichten?

Kranz: Der Ministerpräsident hat in der Vergangenheit deutlich signalisiert, dass ihm das Unternehmen am Herzen liegt. Ich gehe fest davon aus, dass Herr Gabriel sich für uns einsetzen wird, wenn er die Möglichkeiten dafür sieht und es für notwendig erachtet.

nova: Wann dürfen die Aktionäre denn nun endlich mit den Brennnesselhemden rechnen, die Sie schon für letztes Jahr versprochen hatten?

Kranz: Die ersten Hemden gehen Mitte Mai in den Versand. Auf der nächsten HV würde ich dann gern alle Aktionäre in Nesselhemden sehen. Das wäre doch was!

nova: Vielen Dank für das Gespräch!

Autor und Gesprächsführung: Klaus-Martin Meyer (nova)
Endredaktion: Marion Kupfer (nova)
Quelle: Interview mit Heinrich Kranz (Fa. Stoffkontor Kranz AG) vom 2002-03-21.

(Vgl. auch Meldung vom 2001-11-13.)

Source

Interview mit Heinrich Kranz (Fa. Stoffkontor Kranz AG) vom 2002-03-21.

Share

Renewable Carbon News – Daily Newsletter

Subscribe to our daily email newsletter – the world's leading newsletter on renewable materials and chemicals

Subscribe