nova-Bericht: Sinkende Rohstoffpreise nur bis zur Erholung der Weltwirtschaft

Statement zum Int. Kongress "Rohstoffwende und Biowerkstoffe" am 3. und 4. Dezember in Köln

Über sechs Jahre lang stiegen die Preise für nahezu alle Rohstoffe in beängstigender Weise, bis im Spätsommer 2008 die weltweit eskalierte Finanzkrise eine Wirtschaftskrise auslöste und nun die Rohstoffpreise wieder rapide fallen. Wie hängen diese Ereignisse zusammen und wie wird es weitergehen?

Ist die Rohstoffkrise vorerst überwunden? Was können wir aus den letzten Jahren für die Zukunft lernen? Die wichtigste Erkenntnis: Das Angebot an Rohstoffen ist aufgrund knapper Primärproduktionen nur wenig und vor allem nur langsam ausbaufähig. Die Preise werden daher vor allem durch die Nachfrage bestimmt, Spekulationen heizen die Preise in Zeiten hoher Nachfrage zusätzlich an. Sinkt die Nachfrage, kommt es in kurzer Zeit zu einem drastischen Preisverfall.

Rohstoffpreiswende in 2002
Seit etwa 1980 sind Preise für fast alle Rohstoffe kontinuierlich gefallen. Eine Folge war, dass Investitionen in die Förderung und Primärproduktion von Rohstoffen weitgehend ausblieben, da sie sich aufgrund niedriger und weiter fallender Preise einfach nicht rechneten. Nachdem sich Asien von der Finanzkrise im Jahr 1998 erholt hatte, kehrte die Weltwirtschaft im Jahr 2001 zu ihren gewohnten Wachstumsraten zurück. Im Jahr 2002 kam es dann nach über 20 Jahren Preisverfall zur “Rohstoffpreiswende”: Insbesondere infolge des zweistelligen Wachstums in den sog. BRIC-Ländern Brasilien, Russland, Indien und China mit ihren Rohstoff-intensiven Industrien kam es zu einer stark ansteigenden Nachfrage nach Rohstoffen. Diese trieb, verstärkt durch Spekulanten, die Preise bis zum ersten Halbjahr 2008 zu bislang unbekannten Höhen.

In diesem Zeitraum gelang es bei den meisten Rohstoffen nicht, die gestiegene Nachfrage mit einem höheren Angebot zu kontern. Zum einen stellte man fest, dass bestimmte Lagerstätten an ihre geologischen Grenzen stoßen und sich die Fördermengen nicht mehr steigern lassen. Zum anderen zeigten sich die Defizite der über 20 Jahre zu geringen Investitionen in Förderung und Primärproduktion. Allein beim Erdöl werden Schätzungen nach in den nächsten zehn Jahren ca. 500 Mrd. € benötigt, um das Angebot auf heutigem Niveau halten zu können. Nur bei den Agrarrohstoffen gelang es, innerhalb von ein bis zwei Jahren die Anbauflächen auszuweiten und die Erntemengen für die wichtigsten Kulturen erheblich zu steigern.

Da also das Angebot, von wenigen Rohstoffen abgesehen, nur wenig erhöht werden kann, werden die Preise primär von der Nachfrage bestimmt. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie nah wir an einer kritischen Schwelle der Rohstoffversorgung stehen: Übersteigt die Nachfrage bestimmte Schwellen, kommt es zu extremen Rohstoff- Preisrallys, die beginnen, das Wachstum zu drosseln und eine Wirtschaftskrise auszulösen.

<b/>Wie die Grafik zeigt, begann der Preisanstieg bei Agrarrohstoffen im Vergleich zu den anderen Rohstoffen erst um vier <br />Jahre verzögert im Jahr 2006 und ist durchschnittlich deutlich moderater ausgefallen als bei den meisten anderen <br />Rohstoffen – je nach Agrarrohstoff unterscheidet sich deren Preisanstieg allerdings erheblich. Am stärksten betroffen <br />waren die pflanzlichen Nahrungs- und Futtermittel Mais, Weizen, Soja und Reis – deren Preise inzwischen auch wieder <br />gefallen sind. Andere Agrarprodukte wie Schweine- und Rindfleisch, Zucker oder auch Baumwolle waren dagegen <br />überhaupt nicht vom globalen Preisanstieg betroffen. <br />Dass die Preise von Agrarrohstoffen durchschnittlich deutlich weniger als die von fossilen und mineralischen Rohstoffen <br />gestiegen sind, liegt an einem einfachen Grund: Die Anbauflächen können weltweit noch erheblich ausgedehnt werden – <br />selbst ohne hierzu Wälder roden zu müssen. Agrarrohstoffe haben also noch ein ganz erhebliches Ausbaupotenzial, das <br />schon in kurzer Zeit preisstabilisierend wirken kann – wenn dieses Potenzial erschlossen wird. Hierzu sind allerdings <br />erhebliche Mengen an Kapital für Maschinen, Saatgut und Dünger notwendig. In vielen Ländern müssen zudem Struktur-<br />probleme im ländlichen Raum überwunden werden, bevor der Agrarsektor nachhaltig wachsen kann. Die aktuell sinken-<br />den Agrarpreise beruhen nicht auf einer gesunkenen Nachfrage, sondern auf der erfolgten Ausweitung des Angebots. <br />Grafik: nova-Institut”></td>
</tr>
<tr>
<td style=Wie die Grafik zeigt, begann der Preisanstieg bei Agrarrohstoffen im Vergleich zu den anderen Rohstoffen erst um vier
Jahre verzögert im Jahr 2006 und ist durchschnittlich deutlich moderater ausgefallen als bei den meisten anderen
Rohstoffen – je nach Agrarrohstoff unterscheidet sich deren Preisanstieg allerdings erheblich. Am stärksten betroffen
waren die pflanzlichen Nahrungs- und Futtermittel Mais, Weizen, Soja und Reis – deren Preise inzwischen auch wieder
gefallen sind. Andere Agrarprodukte wie Schweine- und Rindfleisch, Zucker oder auch Baumwolle waren dagegen
überhaupt nicht vom globalen Preisanstieg betroffen.
Dass die Preise von Agrarrohstoffen durchschnittlich deutlich weniger als die von fossilen und mineralischen Rohstoffen
gestiegen sind, liegt an einem einfachen Grund: Die Anbauflächen können weltweit noch erheblich ausgedehnt werden –
selbst ohne hierzu Wälder roden zu müssen. Agrarrohstoffe haben also noch ein ganz erhebliches Ausbaupotenzial, das
schon in kurzer Zeit preisstabilisierend wirken kann – wenn dieses Potenzial erschlossen wird. Hierzu sind allerdings
erhebliche Mengen an Kapital für Maschinen, Saatgut und Dünger notwendig. In vielen Ländern müssen zudem Struktur-
probleme im ländlichen Raum überwunden werden, bevor der Agrarsektor nachhaltig wachsen kann. Die aktuell sinken-
den Agrarpreise beruhen nicht auf einer gesunkenen Nachfrage, sondern auf der erfolgten Ausweitung des Angebots.

Grafik: nova-Institut



2008: Verfall der Rohstoffpreise
Der aktuelle Verfall der Rohstoffpreise ist primär durch den Einbruch auf Nachfrageseite begründet. Die sich weltweit zuspitzende Finanzkrise im Spätsommer 2008 führte innerhalb von wenigen Wochen zu einer Abflachung der Weltkonjunktur bis hin zur Gefahr einer globalen Wirtschaftskrise. So spricht z.B. Dow Chemical offen von einer anstehenden weltweiten Konjunkturkrise. “Wir werden wahrscheinlich den größten Teil von 2009 eine weltweite Rezession erleben”, sagte Andrew Liveris, Chef des nach BASF zweitgrößten Chemiekonzerns der Welt. Die starken Zuwächse in China, Indien, Brasilien und Russland haben den Boom der Weltwirtschaft seit 2002 maßgeblich angetrieben – und sollen nun nach Hoffnung der Optimisten den Konjunkturabschwung abmildern. Liveris sieht die Probleme aber weltumspannend. “Die globale Wirtschaft spürt jetzt voll die Auswirkungen derselben Probleme, die in den vergangenen Quartalen die USA geplagt haben”, sagte der Dow-Vorstandschef. “Diese Probleme sind durch die Kreditkrise verstärkt worden, was sich in sinkender Nachfrage niederschlägt – nicht nur in den USA, sondern in der ganzen Welt.” (Financial Times Deutschland, 2008-10-24) Und diese sinkende Nachfrage lässt die Preise purzeln.

Rohstoffpreise im Jahr 2009
Sobald die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt und zu den Wachstumsraten der letzten Jahre zurückkehrt, werden auch die Rohstoffpreise erneut stark anziehen und schon bald wieder das Niveau vom Frühjahr bzw. Sommer 2008 erreichen. Wann das sein wird, ist schwer zu sagen. Die meisten Analysten sehen den Aufschwung frühestens Ende 2009 kommen. Da Vorhersagen über einen solchen Zeitraum kaum möglich sind, bleibt es ungewiss, wie lange die Rohstoffpreise relativ niedrig bleiben. An sich sollte man die aktuelle Verschnaufpause dazu nutzen, das Angebot an Rohstoffen auszubauen, neue Förderstätten zu erschließen und neue Primärproduktionen wie Raffinerien zu errichten, um beim nächsten Aufschwung den Anstieg der Rohstoffpreise abpuffern zu können. Aber genau dieses antizyklische Reagieren fällt in der aktuellen Situation schwer. Den Rohstoffkonzernen brechen die Einnahmen und Überschüsse weg und aufgrund der Finanzmarktkrise sind Kredite nur schwer zu bekommen. Beides lähmt bereits jetzt die Erschließung neuer Förderstätten. So wurden vor wenigen Tagen Großprojekte zur Erschließung neuer Erdölfelder in Russland, Brasilien und einigen afrikanischen Ländern auf Eis gelegt – sie sind aktuell einfach nicht mehr finanzierbar.

Sollte es im Jahr 2009 nicht gelingen, das Angebot an fossilen und mineralischen Rohstoffen zu stabilisieren oder besser auszubauen, könnte der nächste Wirtschaftsaufschwung zu noch stärkeren Preisrallys führen als in den letzten sechs Jahren und damit die nächste Krise heraufbeschwören.

Rohstoff-Strategien – Option Agrarrohstoffe
Unternehmen der Chemie- und Kunststoffindustrie sollten das Jahr 2009 nutzen, um ihre Rohstoffbasis neu auszurichten und sich so auf die nächste Preisrally vorzubereiten. Gefragt ist ein umfassendes Rohstoff-Management, das sowohl neue Technologien wie z.B. die Industrielle Biotechnologie als auch Agrarrohstoffe einbeziehen sollte.

Rohstoffe vom Acker und Forst bieten interessante Chancen, aber auch Risiken. Vorteilhaft ist, dass sich die Agrarflächen weltweit noch erheblich ausdehnen lassen, vermutlich um einige 100 Mio. Hektar. Somit kann die Produktion sowohl für Nahrungs- und Futtermittel als auch für industrielle Rohstoffe noch deutlich gesteigert werden. Gleichzeitig bietet die sich rasch entwickelnde Biotechnologie zahlreiche Ansätze, Agrarrohstoffe produktiv und in größerem Stil einzusetzen. Aktuell liegt der Anteil der Agrarrohstoffe am Input der deutschen Chemischen Industrie bei ca. 11% – dieser Anteil kann durchaus auf 20% gesteigert werden. Agrarrohstoffe stellen damit eine interessante Option für die Rohstoffdiversifizierung der Industrie dar.

Nachteilig für den verstärkten Einsatz Nachwachsender Rohstoffe ist die oft auf Stammtisch-Niveau geführte “biofuels & food”-Diskussion, die auch unter dem Begriff “Teller, Trog und Tank” und neuerdings sogar “bioplastics & food” geführt wird und eine erhebliche öffentliche und politische Wirkung entfacht. Gefragt ist hier eine sachliche und fundierte Diskussion mit dem Ziel eines umfassenden Ressourcenmanagements, das auch die Nutzung der Koppel- und Nebenprodukte einbezieht. Hier geeignet Stellung zu beziehen und Einfluss zu nehmen, kann für die zukünftige Rohstoffversorgung von entscheidender Bedeutung sein.

Manche gut gemeinte ethisch-moralische Argumentation führt leicht in die Irre, so die Forderung, dass man Food-Pflanzen nicht für die Industrie nutzen darf, solange Menschen hungern. Das wachsende Hungerproblem liegt weniger daran, dass es nicht genug Nahrungsmittel gibt, sondern eher daran, dass die Hungernden vor allem aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu den Nahrungsmitteln haben.

Auf Flächen, die für die Food- und Feed- Produktion nicht benötigt werden, Food- Pflanzen für industrielle Zwecke anzubauen kann durchaus ausgesprochen sinnvoll sein, wenn diese Pflanzen, bedingt durch jahrzehntelange Züchtung, besonders effizient sind und damit die Fläche optimal nutzen. Industriepflanzen können in ländlichen Räumen Einkommen schaffen, die der Bevölkerung wieder den finanziellen Zugang zu Nahrungsmitteln ermöglicht.

Ausführlich stellt der Autor das hier skizzierte Thema bei seinem Vortrag auf dem Internationalen Kongress “Rohstoffwende und Biowerkstoffe” (Köln, 3. & 4. Dezember) vor. 26 Referenten präsentieren Fakten und Einschätzungen für Entscheidungsträger aus der produzierenden Industrie, Forschung und Verbänden. Informationen und Anmeldung zum Kongress und zur begleitenden Ausstellung unter www.rohstoffwende.de, Sonderteil zum Kongress mit 27 Statements der Referenten und Partner im aktuellen Biowerkstoff-Report.

Source

Biowerkstoff-Report, 2008-11.

Supplier

nova-Institut GmbH

Share

Renewable Carbon News – Daily Newsletter

Subscribe to our daily email newsletter – the world's leading newsletter on renewable materials and chemicals

Subscribe