nova-Bericht: Dauerhaft hoher Erdölpreis und bald neue Preisrekorde?

Die Angst vor einer neuen, anhaltenden Ölkrise - Chance für Biokraftstoffe und Biokunststoffe

Wirtschaftsexperten werden langsam nervös und sehen die Peak-Oil-Theorien bestätigt. “Die großen Ölfelder der Welt drohen zu versiegen, spektakuläre Neuentdeckungen gibt es kaum noch. Die Nachfrage steigt aber weiter an. Und so wächst die Angst vor einer neuen Ölkrise”, so Claus Hecking in der Financial Times Deutschland (FTD) vom 2007-07-16. Biokraftstoffe und Biokunststoffe bekommen vor diesem Hintergrund zunehmend Chancen – wenn die Politik in den nächsten Jahren für geeignete und verlässliche Rahmenbedingungen für Ausbau und Etablierung sorgt.

Die Notierungen rasen seit Wochen auf ihre historischen Höchstzustände zu – und das im Sommer, ohne aktuelle politische Krisen und obwohl die Vorratslager voll sind wie lange nicht mehr. Laut Dora Borbély, Ölexpertin der Deka-Bank, ist diese Entwicklung “fundamental getrieben”. Lucas Zeise, Finanzkolumnist der FTD, schreibt am 2007-07-17: “Schließlich deutet der seit Jahren hohe und zuletzt steigende Preis darauf hin, dass der Markt die Zeit tatsächlicher Knappheit nahen sieht…, dass sich hier eine Prämie für die mittelfristige Knappheit des Rohstoffs einschleicht. Trifft dies zu, wird sie nie mehr verschwinden.”

Für diese Entwicklung gibt es zwei einfache Gründe: Eine weiter wachsende Nachfrage und gleichzeitig immer größere Schwierigkeiten, die Fördermengen zu erhöhen.

Zur Zeit verfeuert die Weltwirtschaft täglich durchschnittlich ca. 85 Mio. Barrel Erdöl – im Jahr 2000 waren es noch 77 Mio. Barrel. Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet im Jahr 2030 täglich 116 Mio. Barrel. Es ist fraglich, ob diese Menge dann tatsächlich noch gefördert werden kann. “Die Epoche der richtig großen Felder ist vorbei”, sagt der Geologe Hilmar Rempel, Erdölexperte bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), “und es wird schwer, dies voll zu kompensieren.” Größere Neufunde gibt es kaum noch, drei Viertel des heute geförderten Erdöls stammen aus Feldern, die vor 1980 entdeckt wurden.

Dass es ernst wird, zeigt sich auch in aktuellen Aussagen der sonst eher beschwichtigenden Internationalen Energieagentur (IEA), die Anfang Juli 2007 vor einer neuen Ölkrise in den nächsten fünf Jahren warnte. Sie extrapolierte die aktuellen Trends: kräftige wachsende Nachfrage und wenig steigende Förderung. Demnach übersteigt bereits im Jahr 2012 die Nachfrage das Angebot – und die Weltwirtschaftskrise ist da. Damit liegt die IEA überraschend nahe an Wissenschaftlern der “Association for the Study of Peak Oil and Gas (ASPO)”, einer internationalen Vereinigung von Geologen, Ökonomen und Analysten, die schon seit Jahren das baldige Ende des Erdölzeitalters vorhersagt.

Gründer Colin Campbell erwartet den weltweiten Förderhöhepunkt um das Jahr 2010 herum. Wolfgang Blendinger, Professor der Technischen Universität Clausthal und Chef der deutschen Sektion von ASPO geht noch weiter: “Es sieht so aus, als habe die Welt ihren Förderhöhepunkt schon erreicht oder sei kurz davor. Seit 2005 hat die konventionelle Ölförderung nicht mehr zugenommen.”

Gerade in Europa und Amerika versiegen die Quellen in erstaunlichem Tempo. “Egal ob in Mexiko, den USA oder bei den Nordsee-Anrainern Großbritannien und Norwegen: Überall nimmt die Förderung mehr oder weniger rapide ab. Die britischen Reserven etwa werden nach jetzigem Stand in weniger als sieben Jahren aufgezehrt sein.” – so Claus Hecking in der Financial Times Deutschland (FTD) vom 2007-07-16. Und ob die Vorräte in den OPEC-Ländern die Lücke tatsächlich schließen können, ist mehr als ungewiss. Experten bezweifeln zunehmend die Angaben der Golfstaaten über ihre Erdölreserven, die primär politisch bedingt sind, da sich ihre Förderquoten nach den selbst benannten Reserven richten.

Die großen Mineralölkonzerne beschwichtigen zwar immer noch gerne, gehen aber inzwischen auch davon aus, dass die Preise hoch bleiben und wahrscheinlich sogar massiv anziehen werden – alleine schon aufgrund gestiegener Förderkosten. So räumt Shell-Chef Jeroen van der Veen ein: “Tatsache ist, dass sich das Angebot an relativ einfach zu förderndem Öl und Gas auf Dauer nicht mehr in dem Maß steigern lassen wird, wie der Bedarf wächst.” Und Jochen Hitzfeld, Rohstoffstratege der HypoVereinsbank ergänzt: “Die Erschließung kleiner Felder, von Ressourcen in der Tiefsee oder Ölsänden ist extrem teuer.”

Insgesamt erscheint es als wahrscheinlich, dass im kommenden Winterhalbjahr neue Ölpreisrekorde auftreten werden. Sollte der Winter kalt werden, durch Hurrikans Raffinerien in Mitleidenschaft gezogen werden oder sich neue politische Krisen ereignen, könnte das Barrel ohne größere Widerstände erstmalig die 80 $/Barrel erreichen und selbst 100 $/Barrel scheinen möglich (jeweils Sorte Brent).

Vor diesem Hintergrund werden Biokraftstoffe und ebenso Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen schon in den nächsten zehn Jahren eine immer interessantere Alternative zu Treibstoffen und Kunststoffen auf Erdöl- und Erdgasbasis. Aufgabe der Politik sollte es sein, für einen solchen Zeitraum attraktive und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die den weiteren Ausbau und die weitere Etablierung dieser Alternativen ermöglichen und absichern. Nur so ist gewährleistet, dass uns diese Alternativen auch dann in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, wenn wir sie brauchen. Und dieser Tag kann schneller kommen, als dies Politik und Wirtschaft bislang erwarten.

Die großen Energiekonzerne scheinen sich bereits auf diesen Tag vorzubereiten. Ihre Kriegskassen sind durch die Gewinne der letzten Jahre prall gefüllt und werden nur in geringem Maße für die Suche nach neuen Erdöllagerstätten ausgegeben. “Die Chancen fündig zu werden, erscheinen nicht sonderlich hoch. Stattdessen nutzen die Firmen den Cashflow, um sich gegenseitig oder eigene Aktien zurückzukaufen. Der vernachlässigte Ausbau der Raffineriekapazitäten in Nordamerika ist ein Indiz, dass die Branche kein Wachstum mehr erwartet.”, so Lucas Zeise von der FTD.

Die prallen Kriegskassen lassen aber auch weitere Optionen zu. Die Konzerne scheinen in Lauerstellung zu liegen, welche Alternativen – seien es Biokraftstoffe oder Solarenergie – sich etablieren, um sich dann die Marktführer einverleiben und weiter eine führende Rolle spielen zu können. Zu dieser Strategie gehört es auch, weltweit Land zu kaufen, das noch günstig zu haben ist. Denn ob Energiepflanzen oder Solarfarmen, alle erneuerbaren Energien benötigen Land. Die Ressource Fläche wird in der Zukunft zu einer knappen und immer wichtiger werdenden Ressource. Wem diese gehört, dem gehört die Zukunft.

(Vgl. Meldungen vom 2007-02-12, 2006-12-11 und 2005-07-20.)

Source

Financial Times Deutschland, 2007-07-16 und 2007-07-17 sowie nova-Archiv 2007-07.

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