Massivholz wird Textil

Forscher der Universität Kassel wollen aus Weidenholz Endlosfasern entwickeln und als neuen textilen Werkstoff etablieren

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Röhrengeflecht aus Massivholzmonofil.

Wie können Textilien aus Massivholz gestaltet und gefertigt werden? Wie können Bauteile mit einem Endlosfaden aus Massivholz textil konstruiert werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Forschungsverbundes TETHOK – Textile Tektonik für den Holzbau an der Universität Kassel.

Ziel ist, die hervorragende Ökobilanz und Ästhetik von Massivholz mit den Vorzügen textiler Konstruktionen zu verbinden. Die Vorteile von Textilien liegen in ihrer überragenden Eignung für den Leichtbau, ihren Funktionalisierungs- und Formgebungsmöglichkeiten, ihren hochentwickelten und erprobten Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien, sowie in ihrer seit Jahrtausenden bekannten und immer wieder wandelbaren charakteristischen Ästhetik paralleler und sich überkreuzender Fäden.

Die Kasseler Wissenschaftler und Gestalter um Prof. Heike Klussmann fügen leichte, flexible und zugfeste Flechtweidenschienen mit einem Querschnitt von wenigen Quadratmillimetern stirnseitig zu einem Endlosfaden. So entsteht ein neuartiges Halbzeug für die Weiterverarbeitung zu textilen Strukturen: ein Massivholzmonofil. Das Monofil lässt sich aufspulen und anschließend mit unterschiedlichen Verarbeitungsverfahren zum Beispiel verknoten, weben, flechten, legen und wickeln. Über den Umbau handwerklicher Geräte, wie einem Webstuhl, wird die Kontrolle über das Materialverhalten gewonnen. Ziel ist die automatisierte Fertigung an Web- und Flechtmaschinen sowie Leg- und Wickelrobotern.

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Aufgespulter Endlosfaden.

Weidenholz ist seit Jahrtausenden aus dem Korbmacherhandwerk bekannt. Es ist besonders biegsam und hat ein besonders günstiges Verhältnis von Gewicht und Zugfestigkeit. Der Anbau des schnell nachwachsenden Rohstoffs ist auf der Nordhalbkugel besonders auf wasserreichen Böden landwirtschaftlich interessant. Je nach ergänzender Behandlung erhalten die Holztextilien anschließend Festigkeit. So lassen sich verschiedene textile Formholzteile gewinnen, die in der Architektur, im Bauwesen, im Fahrzeugbau oder im Produktdesign verwendet werden können – beispielsweise für Strukturbauteile, Fassaden, Möbel oder Innenausstattung von Autos.

„Unsere Entwicklung vereint die Vorteile von Textilien mit den Vorteilen von Massivholz“, beschreibt Professor Klussmann. „Textilien sind leicht, flexibel, sehr formbar und ästhetisch. Dazu kommt, dass Holz nachhaltig ist und sein vielseitiger Anbau Perspektiven für die Landwirtschaft bietet, auch in Deutschland.“  Projektleiterin Stefanie Silbermann ergänzt: „Im Grunde nehmen wir buchstäblich einen Faden wieder auf, der vor etlichen Jahrzehnten abgerissen ist – Korbflechterei hat in Mitteleuropa eine lange Tradition. Auch für die Holzweberei gab es Ansätze im Handwerk des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Bemühungen an der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR in Eberswalde in den 1980er Jahren, endlose Fäden aus Weidenholz zur Bestückung von Webstühlen zu entwickeln, brachen mit der deutschen Wiedervereinigung ab.“

Der Forschungsverbund TETHOK ­– Textile Tektonik im Holzbau stellt das Projekt und Prototypen vom 27. – 31. Mai auf der LIGNA in Hannover – der Weltleitmesse für Werkzeuge, Maschinen und Anlagen zur Holzbearbeitung – in Halle 11 am Stand 64/66 aus.

Die Choreografie für Tanz CROSS THE LINE mit einem interaktiven Bühnenbild aus Holztextil hat am 14. Juni 2019 im Theater Am Neuen Garten 64 in Potsdam Premiere. Choreografie: Jean Marc Lebon, Katelijne Philips-Lebon, Nina Ihlenfeld.

Die Publikation RETHINKING WOOD – Future Dimensions of Timber Assembly mit dem Buchkapitel Textile Tectonics for Wood Construction erscheint im Mai 2019 bei BIRKHÄUSER, Hrsg. Markus Hudert/Sven Pfeiffer.

 

 

 

 
Zum Forschungsverbund TETHOK – Textile Tektonik für den Holzbau an der Universität Kassel gehören die folgenden Fachgebiete:

Forschungsplattform BAU KUNST ERFINDEN | Prof. Heike Klussmann | Sprecherin
FG Experimentelles und Digitales Konstruieren und Entwerfen | Prof. Philipp Eversmann,
FG Trennende und Fügende Fertigungsverfahren | Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Stefan Böhm
Institut für Werkstofftechnik/Kunststofftechnik | Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Heim,
FG Baumechanik/Baudynamik | Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef Kuhl
FG Bauwerkserhaltung und Holzbau | Prof. Dr.-Ing. Werner Seim

 

Kontakt

Prof. Heike Klussmann, Dipl.-Des. Steffi Silbermann
Universität Kassel
Fachgebiet Bildende Kunst/Forschungsplattform BAU KUNST ERFINDEN
E-Mail: steffi.silbermann@asl.uni-kassel.de

Source

Universität Kassel, Pressemitteilung, 2019-05-24.

Supplier

Universität Kassel

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