Indien: Erste industrielle Produktionsanlage für Jatropha-Biodiesel

Im Juli wurde in Indien mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die erste kommerzielle Anlage für die Produktion von Jatropha-Biodiesel in Betrieb genommen. Partner des Projektes sind der Frankfurter Anlagenbauer Lurgi und Chemical Construction International aus Indien. Die Anlage soll 10.000 Tonnen Biokraftstoff pro Jahr produzieren. Abnehmer ist ein Busunternehmen aus Haiderabad.

Mit etwa 170 Millionen Hektar Ödland bietet der Subkontinent genügend Anbauflächen für das bescheidene Gewächs. In seinen sehr ölhaltigen Kernen liegt die Hoffnung vieler Kleinbauern. Denn aus ihnen lassen sich sowohl hochwertiger Biodiesel als auch Pflanzenöl für den Treib- und Brennstoffgebrauch herstellen.

In Chorvadla, einem Dorf mit 1.200 Einwohnern im indischen Bundesstaat Gujarat, entsteht derzeit eine Versuchsplantage mit Jatrophasträuchern. Auf ca. zehn Hektar stehen noch kleine Pflanzen in langen Reihen. Ihr Grün steht im signifikanten Kontrast zu der ansonsten dürren Landschaft. “Wir testen, unter welchen Bedingungen Jatropha die höchsten Erträge bringt”, erklärt Jinabhai Sambhubhai Patolia, Wissenschaftler vom Central Salt and Marine Chemicals Research Institute (CSMCRI) in Bahavnagar.

Das renommierte indische Institut ist der lokale Partner einer deutsch-indischen Zusammenarbeit zur Erforschung der Jatropha als Treibstoffpflanze. Beteiligt an dem Projekt sind die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die Universität Hohenheim und der Automobilkonzern DaimlerChrysler.

Die Stuttgarter unterstützen die Forschung mit 750.000 € und stellen drei Testfahrzeuge der C-Klasse zur Verfügung. Die im indischen DaimlerChrysler-Werk in Pune gefertigten Modelle sind schon 10.000 Kilometer mit Biodiesel aus Jatropha kreuz und quer durch Indien gefahren. Medienwirksam wurden sie auf der höchsten Straße der Welt in Leh am Himalaja getestet.

“Unser Projekt soll helfen, Emissionen zu senken, Indiens Abhängigkeit von Ölimporten zu reduzieren und ländliche Armut zu bekämpfen”, erklärt Hans-Michael Huber von DaimlerChrysler in Pune.

Doch bis Jatropha im großen Stil angebaut werden kann, muss das Verhalten der Wildpflanze erst einmal genau erforscht werden.

“Die Pflanze kann sehr viel, ist züchterisch bisher aber kaum bearbeitet worden.” Klaus Becker von der Universität Hohenheim beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Jatropha. “Noch gibt es weder standardisiertes Saatgut noch berechenbare Erträge oder genügend erforschte Anbaumethoden”, warnt Becker: “Aber nirgendwo wird das alles so intensiv untersucht wie in unserem Projekt.”

Die Anfangsinvestition für den Anbau von Jatropha ist recht hoch. Ökonomisch sinnvolle Erträge wirft die Pflanze erst nach fünf Jahren ab, sie muss aber von Beginn an gepflegt werden. Dafür trägt ein Jatrophastrauch aber 30 Jahre lang Purgiernüsse. Auf den Böden bei Chorvadla erwarten die Wissenschaftler Erträge von etwa zwei Tonnen pro Hektar. Daraus lassen sich rund 500 Liter Biodiesel gewinnen.

In Bahavnagar forscht man an einer Verwertung der gesamten Pflanze, um den wirtschaftlichen Nutzen für die Farmer noch zu optimieren. So verarbeitet das Institut das bei der Veresterung des Pflanzenöls zu Biodiesel anfallende Glyzerin unter anderem zu Seife. Aber auch Biopolymere will man mit Hilfe von Bakterien hieraus entwickeln, welche z.B. in der Produktion von Autositzen Anwendung finden könnten.

In der hauseigenen Pilotanlage wurden im letzten Jahr 8.000 Liter Biodiesel gewonnen, die den Anforderungen der europäischen DIN-Norm 14214 entsprechen. Die Anlage kann 250 Liter am Tag produzieren und kostet etwa 30.000 €.

Doch um den großen Markt für Biodiesel zu bedienen, braucht es andere Kapazitäten. Unter anderem sollen sich bereits der Mineralölkonzern BP und der indische Mischkonzern Reliance für die Forschung in Bhavnagar interessieren. (Vgl. Meldung vom 2006-02-09.)

Indien importiert bislang den Großteil seines Erdöls und bezahlt ihn teuer. Im vergangenen Jahr wurden 40 Millionen Tonnen Diesel verbraucht. Für 2006 wird ein Verbrauch von 52 Millionen erwartet. Allein die Beimischung von fünf Prozent Biodiesel würde einen Bedarf von über 2,5 Millionen Tonnen verursachen. Ein Markt, für den es sich lohnt, über Alternativen nicht nur nachzudenken.

(Vgl. Meldungen vom 2006-04-06 und 2004-11-29.)

Source

Financial Times Deutschland (Sonderbeilage/Printausgabe "Wo die Autos mit Nussöl fahren") vom 2006-08-29.

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