Hanfjournal-Interview: Hanffaser Uckermark

Hanf hat als Rohstofflieferant und Nahrungsmittel ein enormes Potenzial

Viele, die sich mit Cannabis beschäftigen, schätzen vor allen Dingen die psychoaktive bzw. beruhigende und schmerzlindernde Wirkung der Pflanze. Doch Hanf hat auch als Rohstofflieferant und Nahrungsmittel ein enormes Potenzial. Früher unentbehrlich, ist das Wissen um die Anwendungsmöglichkeiten in den letzten 100 Jahren weitestgehend verloren gegangen. Heute bauen kaum noch Bauern Hanf an und diejenigen, die es tun, brauchen eine spezielle Genehmigung und müssen ihre Pflanzen regelmäßig kontrollieren lassen. Einige Akteure, wie Hanffaser Uckermark, sehen in dem Rohstoff der Vergangenheit den ‚Stoff der Zukunft‘. Vor 20 Jahren gegründet, liegt der Hauptfokus der Firma auf der Herstellung von Bau- und Dämmstoffen.

Das Unternehmen war als erstes in dem Bereich aktiv, engagiert sich jedoch auch in zahlreichen anderen Projekten. So entwickelt der Betrieb auch Maschinen für die Landwirtschaft, um Hanf als Rohstoff und Anbauprodukt wieder interessanter zu machen und damit die Verwendung der Pflanze im Allgemeinen voranzutreiben. Wir haben uns mit einem der Mitarbeiter zum Interview getroffen, um mehr über den Hanfanbau und dessen industrielle Verwendung zu erfahren. Marjin arbeitet seit September 2015 Vollzeit für Hanffaser Uckermark und war auch schon vorher im Unternehmen aktiv. Heute ist er für den  Anbau und den Ankauf von Rohstoffen für die Fabrik zuständig und berät Landwirte, die in Erwägung ziehen, auf Hanf umzusteigen.

1996 hat Hanffaser Uckermark angefangen. Kamen die Sorten damals schon aus Deutschland oder musstet ihr importieren?

Letztendlich kommen die Sorten bis heute nicht aus Deutschland. Wir haben derzeit französische und eine ukrainische Sorte, da wir leider zu spät waren für die polnischen. Wir hoffen im nächsten Jahr polnische oder sogar ungarische Nutzhanfsorten zu bekommen, aber deutsche gibt es im Moment nicht.  Soweit ich weiß, gibt es in Deutschland derzeit keine Forschung bzw. Entwicklung was Nutzhanf angeht. Deswegen habe ich mich der Sache angenommen. Zwei unserer Landwirte haben Erfahrung in Sachen Saatgutzüchtung und gemeinsam planen wir in die Entwicklung einer deutschen Hanfsorte zu gehen. Dafür versuchen wir Fördergelder zu bekommen, weil diese Forschung für die deutsche Wirtschaft durchaus interessant sein kann. Es ist wichtig, dass wir eine eigene Sorte haben, weil die Anbaubedingungen hier anders sind, als in anderen Ländern.

Wie lief das damals ab, war es umständlich eine Genehmigung zu bekommen?

Der Prozess hat sich in den letzten 20 Jahren nicht groß verändert. Seit 1996 ist der Hanfanbau genehmigungs- bzw. anmeldepflichtig. Nur registrierte Landwirte dürfen die Anmeldung durchführen. So wird dafür gesorgt, dass der „normale“ Mensch keinen Hanf anbauen kann. Gleichzeitig besteht jedoch die Möglichkeit des Anbaus für industrielle Zwecke. In der Regel wird der Antrag genehmigt, wenn man ihn stellt. Jeder Landwirt kann theoretisch eine solche Lizenz bekommen. Mit der Anmeldung weiß die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in welchen Gebieten Hanf angebaut wird und wo sie dem entsprechend ihre Kontrollen durchführen müssen. Dabei wird dann der THC-Gehalt der Pflanzen geprüft und damit, ob sich die Bauern an die Zertifikate gehalten haben. Bei der Anmeldung muss man seine Saatgutzertifikate hinzufügen. Jeder 25 Kilo-Sack hat so ein Zertifikat. Wenn du z.B. eine Tonne gesät hast, muss du dem entsprechend viele Zertifikate einreichen.

Anfang Juli wird dann die Blütemeldung rausgeschickt. Wenn die Pflanzen in der Blüte stehen bzw. fast Erntereif sind, kommt das BLE meistens vorbei und schneidet 50 Pflanzen vom gesamten Acker weg. Diese werden dann im Labor getestet.

Als Landwirt bekommt man keine Probleme, wenn die Pflanzen einen zu hohen THC-Gehalt aufweisen, außer man hat offensichtlich „Drogenhanf“ angepflanzt. Ansonsten bekommt nur der Züchter ein Problem wenn der Hanf zu viel THC aufweist. Von dem Wert hängt dann auch ab, ob der Landwirt die Ernte als Nahrungsmittel oder nur als Bau- und Dämmstoff verkaufen darf. Wenn der THC-Wert zu hoch ist, können die Bauern ihn in der Regel noch als Baustoff vertreiben. Nur in richtig harten Fällen muss die gesamte Ernte vernichtet werden.

Mit wie vielen Landwirten arbeitet ihr derzeit zusammen?

Mit sieben Landwirten, die auf ca. 240 Hektar Hanf anbauen. In Gesamtdeutschland werden um die 2.000-3.000 Hektar angebaut, schätze ich. In Brandenburg zum Beispiel gibt es noch ein paar andere Betriebe, die ebenfalls anbauen. Mit einigen von denen arbeiten wir als Dienstleister zusammen und mähen das Stroh für sie ab.

Ihr entwickelt auch neue Maschinen. Um welche handelt es sich dabei konkret?

Die erste Maschine, die wir entwickelt haben, war der große gelbe Blücher, also eine Hanferntemaschine. Momentan ist das eine der besten weltweit, weil sie den Hanf gleichzeitig auch in Stücke schneidet und relativ zügig durch die Felder durchkommt. Eine andere Maschine ist die Hanfsamen-Erntemaschine. Zusätzlich wurde der Hanfroboter entwickelt, der in der Lage ist die Fasern des Hanfstängels abzutrennen, die dann in der Textilindustrie verarbeitet werden können.

Die Erntemaschine und der Roboter sind noch Prototypen. Bei dem Blücher sind wir mittlerweile in der dritten Generation. Dieses Gerät wurde von uns patentiert und in Zusammenarbeit mit einem Maschinenbauer hergestellt. Inzwischen haben wir ihn an verschiedene Länder als Erntemaschine verkauft.

Wie gestaltete sich der industrielle Anbau von Hanf auf den Feldern konkret?

Anders als bei Indoor-Anbau wollen wir Blüten haben, die so klein wie möglich sind. Daher werden die Pflanzen extrem dicht gesät und produzieren so richtig lange, dünne Stängel. Wenn man indoor anbaut, möchte man hingegen viele Verzweigungen haben, um möglich viele Blüten zu erhalten. Verzweigte Stängel sind für uns ungünstig, weil sie dadurch verzweigte Fasern haben, die sich schwer aufarbeiten lassen. Wir säen 50 Kilo Samen pro Hektar. Daraus werden dann im Schnitt 300 Pflanzen pro qm am Anfang. Das dünnt sich dann aus, so dass man am Ende um die 200 Pflanzen pro qm ernten kann. Die Pflanzen wachsen so dicht, dass kein Licht den Boden erreicht. Dadurch haben andere Pflanzen keine Chance. Wichtig ist, dass die Stängel dünn sind. Wenn sie dicker werden, ist der Holzanteil entsprechend größer und wie müssen viel mehr Energie aufwenden in unseren Brechanlagen, sofern diese die Pflanzen dann überhaupt noch bearbeiten können.

Wie lange braucht ein Hanffeld bis zur Ernte?

Im Durchschnitt 100 bis 110 Tage, hier ihn Nordeuropa. Dann sind die Pflanzen – je nach Sorte – zwischen 3 und 3,5 Meter hoch.

Wie sieht es mit Schädlingen aus?

Schädlinge gibt es kaum. Ab und zu kann es Probleme mit Schimmel geben, aber Insekten lassen die Pflanzen in der Regel in Ruhe. Feinde der Pflanze gibt es quasi kaum. Es existieren einige wenige Unkrautsorten, die mit Hanf wachsen. Hier ist es dann wichtig, dass die Pflanzen in den ersten 4 bis 6 Wochen schnell wachsen, um sich durchzusetzen. Wenn Hanf in dieser Zeit genug ‚Nahrung‘ und Wasser bekommt, schafft er es in dieser Zeit den Boden komplett zu bedecken. Wenn jedoch nicht genug Wasser vorhanden ist, entstehen Lücken und Unkräuter haben eine Chance. Das ist für uns ungünstig, weil sich Uhreinheiten im Stroh nur schwer beseitigen lassen.

Bekommt ihr von den Bauern dann die geschnittenen Pflanzen oder werden diese noch verarbeitet bevor sie dann bei euch landen?

Nein, im Prinzip werden sie einfach gemäht und dann in langen dünnen Reihen auf dem Feld hinterlassen. Der Hanf liegt dann auf den abgeschnittenen Stängeln. So kommt auch von unten Luft an die Pflanzen. Für den natürlichen Prozess der Röste braucht man Wasser und Sonne. Dadurch wird es Mikroben möglich die Lignine, Pektine und die Hemicellulose aufzulösen, damit die Fasern sich lösen und so verarbeiten lassen.

Das ist der alt bewährte Weg. In China machen sie das inzwischen chemisch. Da werden die Pflanzen grün vom Acker genommen und in einem chemischen Bad gelöst. Damit erhält man eine bessere Qualität der Fasern, was für die Textilindustrie entscheidend ist. Für die Verwendung als Baustoffe hat das eine geringere Relevanz, auch wenn wir trotzdem bemüht sind die bestmögliche Faserqualität zu erhalten.

Wie geht es dann weiter?

Wenn der Hanf ausreichend trocken bzw. geröstet ist, wird er gepresst und in Form von Quaderballen zu uns in die Fabrik transportiert. In unserer Anlage wird der Hanf dann noch einmal getrocknet und auf Metalle gescannt. Dann geht es in die Brechanlage. Dort werden die Pflanzen mit viel Kraft bearbeitet, damit die Fasern möglichst oft brechen. Dabei fallen die Schäben – also der Holzanteil der Pflanze – heraus und die Fasern werden abgesaugt und weiterverarbeitet.

Ihr arbeitete auch an der Entwicklung von ‚Hanfbeton‘. Ist man schon soweit diesen bei Hausbau zu verwenden?

Momentan sind wir noch dabei die Produktreihe zu entwickeln. Unser Ziel ist es vorgefertigte Platten für den Bau zu produzieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir in sechs Monaten ein verkaufbares Produkt haben werden.

Hanfbeton hat keine tragenden Eigenschaften wie herkömmlicher Beton in Verbindung mit Stahl. Dafür ist er zu schwach. Allerdings kann man ihn in Kombination mit einem Holzgerüst verwenden. Das Holz ist dann der Träger, der Hanf kommt in die Zwischenräume, wie bei einem Fachwerkhaus.  Das Ganze kann dann mit Hanflehm verputzt werden.

Was sind die Vorteile von Hanfbeton?

Er ist viel leichter als normaler Beton und zudem ökologisch abbaubar, da nur natürliche Stoffe enthalten sind. Hanfbeton hat gute dämmende Eigenschaften und ist zudem ein guter Schallschutz. Außerdem ist die Regulierung der Feuchtigkeit unheimlich gut. Man könnte mit Hanfbeton ein Badezimmer ohne Fenster und Abzug konstruieren, weil der Hanf die Feuchtigkeit aufnehmen und dann wieder angeben kann. Durch die basischen Eigenschaften ist die Luft im Raum unseren Körpern besser angepasst.

Ich vermute, dass durch die Verwendung von Hanf beim Hausbau viele Hausallergien zurückgehen werden, die derzeit durch die ganzen Öle entstehen, die wir auf die Wände schmieren.

Als nächstes habt ihr unter anderem ein Cannabis-Infozentrum in Prenzlau geplant. Was kannst du mir darüber erzählen?

Vor einigen Jahren habe ich ein Grundstück in Prenzlau bekommen, auf dem sich ehemals eine Gärtnerei befand. Dort stehen ein paar baufällige Fachwerkhäuser, die man wunderbar mit Hanf restaurieren kann. Hinten dran gibt es sehr fruchtbares Moorland mit einer idealen Wasserversorgung, das für Hanf mehr als geeignet wäre. Zusammen mit dem Hanfmuseum ist die Idee entstanden dort ein Cannabis-Informationszentrum zu errichten. Mein Wunsch wäre es, dort alle zugelassenen Sorten anzubauen, um die Pflanzen als Anschauungsmaterial für Landwirte und andere Interessenten zu nutzen. Man könnte ein Labyrinth errichten und ein kleines CBD-Labor aufbauen oder eine Teeproduktion starten. Das Gelände ist groß und bietet viele Möglichkeiten.

Hoffentlich können wir eine kleine Fabrik errichten, die alle Anwendungsgebiete im Kleinen zeigt. Dort kann man dann Seminare für Bauern, Schüler oder Geschäftsleute abhalten. Wir wollen damit so viele Menschen wie möglich ansprechen, um über alle Aspekte der Pflanze von Drogen- bis Nutzhanf zu informieren. Wir wollen dabei auch mit Betrieben kooperieren, um als Dreh und Angelpunkt zu fungieren und Kontakte vermitteln zu können.

 

Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.

Author

Janika Takats

Source

Hanfjournal, 2016-08-23.

Supplier

Hanffaser Uckermark

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