Flachs- und Hanfschäben – Alternative im Leichtbau

Holzwerkstoffindustrie zeigt wachsendes Interesse an Lösungen im Leichtbau

Bei stetig steigenden Preisen für Holz und Späne werden für die Holzwerkstoffindustrie alternative Rohstoffe zunehmend interessanter. Die Schäben von Flachs und Hanf stellen eine vielseitige Option dar, denn sie reduzieren zugleich das Gewicht der Platten. Bereits heute sind Leichtbauplatten aus Schäben dieser einjährigen Pflanzen erhältlich: Ein deutscher Hersteller bietet Platten aus Hanfschäben an, Flachsschäben werden vornehmlich in Frankreich, Belgien und in den Niederlanden als Bau- und Werkstoff eingesetzt.

01_Leichte-Mobelplatte_Hanf_Gahle_klein.jpgLeichtbauplatten
Die Dichte der Schäbenplatten liegt mit 0,30 – 0,34 kg/dm3 unter der Hälfte einer konventionellen Holzspanplatte und bietet neben der Gewichtsreduzierung auch bessere Dämmeigenschaften.

Außerdem erzeugt dieser harzfreie Werkstoff von Natur aus keine Formaldehydemissionen. Die Verarbeitung erfolgt mit den üblichen Werkzeugen, die Platten können problemlos postforming-beschichtet, beschnitten, bekantet und verschraubt werden.

Möbelbauer fertigen daraus unter anderem die modernen, breiten Wangen und über 50 mm starke Regalböden, in die die Befestigungssysteme “unsichtbar” eingelassen werden können, was bei Schaum- oder Wabenplatten so nicht ohne weiteres möglich ist. Auch das Anfahren von Kanten entspricht den unkomplizierten Verfahren von konventionellen Spanplatten.

Flachsschäbenplatten werden jeweils in Belgien und in den Niederlanden in größerem Maßstab produziert. Zurzeit verarbeiten die führenden Hersteller zusammen ca. 48.000 t Flachsschäben zu Plattenwerkstoffen. In geringem Umfang (< 10%) gelangen diese Platten auch auf den deutschen Markt. Hanfplatten bietet in Mitteleuropa nur ein Hersteller an (Valentin/ Kosche Gruppe). Die Platten sind teilweise bei Großhändlern lagermäßig erhältlich. Im Jahr 2005 gingen ca. 100 m3 in den Verkauf. Im Jahr 2006 wird mehr als eine Verdopplung angestrebt, dazu werden dann voraussichtlich 100 t Hanfschäben verarbeitet.

Als Halbzeug kostete die Schäbenplatte noch vor kurzem etwa das Dreifache einer konventionellen Spanplatte, da die Schäben-Erzeuger bei den heutigen, kleinen Mengen ca. 200 – 250 Euro je Tonne verlangen müssen. Durch Optimierungen im Fertigungsprozess und gleichzeitige Verteuerung der Holz-Rohstoffe ist es jedoch in kurzer Zeit gelungen, nur noch etwa 20-30% über dem Preis der konventionellen Spanplatte zu liegen.

Als fertig beschichtete Platte mit HPL-Oberfläche verringert sich der Preisunterschied noch weiter. Unter Berücksichtigung der Vorteile bei Transport und Handling, insbesondere bei den derzeit modernen, immer dickeren Arbeitsplatten, lassen sich weitere Kosten auf den nachgelagerten Verarbeitungsebenen reduzieren. Außerdem ist davon auszugehen, dass ein langfristig gesicherter Vertragsanbau in großem Stil, wie dies für die Holzwerkstoffindustrie erforderlich wäre, den Rohstoffpreis weiter reduzieren kann.

Die Qualitätsanforderungen der Plattenhersteller an die eingesetzten Schäben sind dabei sehr hoch: Sie legen größten Wert auf reine, helle Schäben ohne Verunreinigungen wie zum Beispiel Sand und Kurzfasern. Die Feuchte sollte bei Anlieferung zwischen 8 und 10% liegen. Ein logistisches Problem ist das ganzjährige und unter Umständen kurzfristige Abrufen von großen Rohstoffmengen, was eine entsprechende Lagerhaltung sowohl bei den Schäben-Produzenten, wie auch bei den Plattenherstellern voraussetzt.

Auf der EIHA-Konferenz 2006 in Hürth/ Rheinland wurde bekannt, dass ähnliche Produkte aus China bereits in größeren Mengen unter der Bezeichnung “AgroBoard” unter anderem nach Südafrika exportiert werden, ohne dass der Käufer speziell auf die Hanfschäben als Rohstoffbasis hingewiesen wird.

Zum Ende des Jahres 2006 hat auch die Steico AG eine Produktneuheiten aus Hanfschäben und Hanffasern auf den Markt gebracht: STEICOcanaroof, eine Dämmstoffplatten mit einer Nennwert Wärmeleitfähigkeit λD [W / ( m * K )] 0,040 und einer Rohdichte von ca. 90 kg/m3. Die benötigten Schäben fallen im Unternehmen intern bei der Aufbereitung der Fasern an, aus denen bereits reine Hanffaser-Dämmstoffe produziert werden. Da der Verkaufsstart gerade erst erfolgt ist, bleibt die umgesetzte Menge zunächst offen, ggf. werden kurzfristig Schäben zugekauft.

Märkte und Ausblick
Das neue ökonomische Interesse an Hanf ist neben der Papierindustrie heute auch schon in der Holwerkstoffindustrie sichtbar. Beide Branchen leiden unter den hohen Holzpreisen und verschlechterten Verfügbarkeiten – vor allem wegen der Nachfrage des Energiesektors nach Holz – und sind daher auf der Suche nach alternativen Rohstoffen.

Verschiedene Unternehmen aus Kanada und Europa äußerten auf der EIHA-Konferenz 2006 erstmalig seit Jahrzehnten konkretes Interesse an großflächigem Hanfanbau zur Produktion von Leichtbauplatten. Dabei wurde auch die Möglichkeit der Nutzung der gesamten Hanfpflanze (Fasern und Schäben) diskutiert. Ohne vorherigen Faseraufschluss halten Experten Preise von deutlich unter 100 €/t für realistisch.

Hier wird eine sehr dynamische Entwicklung erwartet: Die Platten aus Hanf- oder Flachsschäben konkurrieren einerseits mit den preiswerten Massenprodukten, wie Spanplatten und leichten Holzwerkstoffplatten, andererseits gibt es vielfältige Einsatzbereiche. Der höhere Preis gegenüber den konventionellen Holzwerkstoffen ist unbestritten gegenwärtig ein Hemmnis, es wird aber erwartet, dass speziell in diesem Segment der Kostendruck nachlässt, aufgrund der aktuell hohen Holzpreise, sowie durch weitere Verfahrensoptimierungen in dieser neuen (bzw. neu entdeckten) Technologie.

Ohnehin sind die Potenziale für leichte Werkstoffe riesig: Überall dort, wo mit Leichtbau Energie gespart und Transportkapazitäten erhöht werden können, also in der Luftfahrt, im Schiffsbau, bei Schienfahrzeugen, PKW, Nutzfahrzeuge und Caravans, könnten leichte Schäbenplatten konventionelle Holzwerkstoffe und teilweise auch geschäumte Kunststoffe (meist relativ teures und etwas schwereres Polypropylen) ersetzen.

Angesichts steigender Bedeutung des Bauens im Bestand liegen weitere, große Zukunftsmärkte für den Leichtbau in Ausbauelementen und leichten Trennwände, die ohne zusätzliche Ertüchtigung bestehender Decken und Tragwerke im Altbau eingesetzt werden könnten.

Der vollständige Beitrag ist am 12. Januar 2007 im Holz-Zentralblatt Nr. 2 auf Seite 70 erschienen und steht hier zum Download bereit (PDF-Dokument, ca. 2,5 MB).

(Vgl. Meldungen vom 2006-12-19, 2006-04-26 und 2005-02-25.)

Source

nova-Institut GmbH, 2007-01-21.

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