Einwegkunststoffprodukte: neue EU-Vorschriften zur Verringerung der Meeresabfälle – Kommentar Michael Carus, Geschäftsführer des nova-Instituts

Warum nicht innovativ und pro-aktiv werden?

Michael Carus NLVorweg, um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin ein großer Fan von Kunststoffen, es sind geradezu magische Materialien, wie auch Guru Sadhguru aus Indien auf YouTube so schön erläutert, und sie werden in Zukunft noch wichtiger sein als heute. Aber sie haben zwei Probleme, sie nutzen zu wenig erneuerbaren Kohlenstoff (Biomasse oder CO2) und sie führen zu Mikroplastik in der Umwelt, besonders auffallend als „Marine Littering“. Die EU-Kommission musste endlich handeln und schlägt nun u. a. das Verbot bestimmter Einweg-Plastikprodukte vor, wie z. B. „Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff, die vollständig aus umweltfreundlicheren Materialien hergestellt werden müssen“ (interessant, wie hier „nachhaltig“ definiert wurde, da die meisten Ökobilanzen von Kunststoffartikeln positiv ausfallen). Der Gesetzesvorstoß der Kommission muss dann noch mit den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament verhandelt werden. Und hier sollten noch erhebliche Veränderungen vorgenommen werden – denn bisher haben Industrie und Politik hier weitestgehend versagt.

Seit mindestens zehn Jahren ist das Mikroplastik in der Öffentlichkeit. Die Kunststoffindustrie hat versucht das Thema auszusitzen, gewartet, bis der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde. Das Hauptargument war dann, was kann unser Kunststoff dafür, wenn die Menschen mit ihm nicht richtig umgehen und die Politik das Recycling nicht besser organisiert. Aber der Kunststoff kann eben doch etwas dafür. Seit Jahren gibt es für Kunststoffprodukte, die man praktisch nicht sammeln und recyceln kann oder deren Aufbereitung viel zu aufwändig ist, eine weitere Lösung: Biologisch abbaubare Kunststoffe. Warum hier nicht innovativ und pro-aktiv werden?

Die EU-Kommission und auch die Mitgliedsländer haben in den letzten zehn Jahren etliche Millionen ausgegeben, um solche Kunststoffe zu entwickeln, zu zertifizieren und zu labeln. Kunststoffe, die im Wasser, im Boden, in Gartenkompost oder der industriellen Kompostierung biologisch abgebaut werden und keine Mikropartikel hinterlassen. Und heute gibt es etliche Produzenten solcher biologisch abbaubaren Kunststoffe, selbst Chemieriesen wie BASF produzieren sie, es gibt Zertifizierungen und Label und es gibt den Verband European Bioplastics, der umfassend Informationen zusammenstellt. Aber diese neuen Kunststoffe sind halt noch etwas zu teuer, um zum Selbstläufer werden. Und jetzt bekommen Sie nicht einmal eine Chance in der neuen EU-Kunststoffstrategie! Die EU-Kommission spricht das Thema in ihrem Papier durchaus an, schreibt, dass Italien und Frankreich diese Option nutzen, dass man jetzt noch forschen und standardisieren müsse und später eine Einbeziehung möglich wäre. Interessant ist auch, dass von „biologischem Abbau“ ausschließlich im Kontext zum Meer („marine environment“) die Rede ist, obwohl 90% des Kunststoffs im Meer aus Quellen von Land und Flüssen stammt, wo der biologische Abbau sehr viel einfacher und schneller geht. Dies wird vollkommen ignoriert.

Also weiter auf die nächste Evaluierung der Strategie hoffen und warten? Nein, jetzt die Chance zur Innovation und Nachhaltigkeit nutzen. Verbieten wir Einwegprodukte wie Plastikgeschirr, Plastikbesteck, Strohhalme aus Plastik, Wattestäbchen und Plastikhalterungen von Luftballons, wenn sie nicht biologisch abbaubar sind. Aber geben wir hier den seit Jahren erfolgreich entwickelten biologisch abbaubaren Kunststoffen endlich ihre Chance am Markt! Wir brauchen auch Lösungen für andere Kunststoffprodukte, die beim sachgemäßen Gebrauch in der Umwelt landen und kaum oder überhaupt nicht recycelt werden können wie Mulchfilme, Baumschutzhüllen, Pflanzenclips, Bindegarne, Schnüre für Rasentrimmer, Trägerpolymere für Dünger und Pflanzenschutzmittel oder auch Kunststoffköder im Meer und viele mehr. Wagen wir den Schritt nach vorne in ganz Europa, wie in bisher nur Italien, Frankreich und China gehen. Denn jetzt werden die Regeln für die nächsten Jahrzehnte festgelegt.

 

Vertiefende Informationen:

 

Source

nova-Institut GmbH, 2018-05-29.

Supplier

nova-Institut GmbH

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