Äthiopien – wo das Epoxidharz wächst …

Eine Pflanze aus Äthiopien könnte Erdöl schon bald Konkurrenz machen – als natürlicher Rohstoff für die Klebstoff- und Plastikindustrie. Das britische Biotech-Unternehmen Vernique will in Äthiopien Vernonia-Pflanzen zur industriellen Epoxidproduktion anbauen. Entsprechende Vereinbarungen mit der Regierung wurden erst kürzlich unterzeichnet.

Die glänzenden schwarzen Samen der ansonsten unansehnlichen “Vernonia” enthalten ein eigentümliches Öl, das vermutlich als natürliche Basis für so genannte Epoxidverbindungen Einsatz finden könnte. Diese äußerst reaktionsfähigen, organischen Verbindungen werden vor allem bislang ausschließlich aus Erdöl oder Erdgas hergestellt und zur Herstellung von Kleb- und Kompositwerkstoffen verwendet.

Jetzt sollen Vernonia-Pflanzen als “grüne Chemikalie” kommerziell angebaut und vertrieben werden. Eine entsprechende Vereinbarung haben die äthiopische Regierung und das britische Unternehmen Vernique Biotech kürzlich unterzeichnet.

Der weltweite Epoxidumsatz in der Plastik-, Farb- und Klebstoffindustrie wird auf jährlich rund 15 Mrd. $ geschätzt. Somit hätte “Vernonia das Potenzial, die industrielle Sojabohne des 21. Jahrhunderts zu werden”, ist Paul McClory, einer der Gründer von Vernique Biotech, überzeugt.

Keine Einbußen bei der Leistung

Mit dem Einsatz von Vernonia-Öl könne ohne Einbußen in der technischen Leistung auf die für petrochemische Epoxidquellen typischen flüchtigen organischen Verbindungen verzichtet werden. Sobald die Pflanze in großem Umfang angebaut würde, sei das Öl durchaus wettbewerbsfähig zu den herkömmlichen fossilen Grundstoffen, so McClory.

Die Vereinbarung zwischen Äthiopien und Vernique ist eines der wenigen Abkommen, die bisher im Rahmen der Uno-Konvention über biologische Vielfalt ausgehandelt wurden. Für den Zugang zu den genetischen Ressourcen des Landes entrichtet das Unternehmen an die äthiopische Regierung in den kommenden zehn Jahren Lizenzgebühren, Abgaben und einen Gewinnanteil.

Daneben können Hunderte von Bauern der Region jetzt mit Lieferverträgen von Vernique Vernonia auf Böden anbauen, die für Nahrungsmittel zu nährstoffarm und trocken sind. Vernique plant bereits, den Vernonia-Anbau in Äthiopien auf Tausende Hektar auszuweiten.

Wachsende Bedeutung

Wie Tewolde Berhan Gebre Egziabher, der Chef der äthiopischen Umweltschutzbehörde vermutet, dürfte die Bedeutung von Vernonia für Äthiopien in den kommenden Jahren wachsen, zumal Erdölprodukte die Umwelt belasten und immer teurer werden. Er ist einer der bekanntesten Umweltschützer des Landes und vertritt Äthiopien in der Uno-Konferenz für biologische Vielfalt.

Nur einmal hatte das Land in Vergangenheit ein ähnliches Handelsabkommen. Sie wurde 2004 unterzeichnet und erlaubt dem niederländischen Unternehmen Health and Performance Food International, Äthiopische Zwerghirse zur Nahrungsmittelherstellung anzubauen. Derlei Abkommen seien dringend erforderlich, meint Egziabher. Denn zuvor “haben andere die genetischen Ressourcen Äthiopiens einfach genommen und rücksichtslos verwendet”.

Schon zwischen 1970 und 1990 hatte das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) etliche Forschungsprojekte für die industrielle Nutzung des Vernonia-Öls initiiert, mit mehr als 50 zum Patent angemeldeten Anwendungen. Schlussendlich jedoch kam das USDA zu dem Fazit, dass sich ein Anbau in den USA nicht lohne – und stellte die Projekte ein.

Um einen ähnlichen Ablauf diesmal zu vermeiden, arbeitet Vernique mit britischen Wissenschaftlern zusammen, um möglichst überzeugende Anwendungen für Vernonia-Öl zu finden. Einer der großen Vorteile sei, so der Chemieprofessor Jim Howell von der Keele-Universität, dass das Vernonia-Öl bereits von Natur aus epoxidiert ist.

Gemeinsam mit dem US-Chemiekonzern Eastman will er Vernonia-Öl als Basis für Farbanstriche entwickeln. Zudem wollen die Forscher auch prüfen, ob sich das Vernonia-Öl eventuell als Zusatzstoff für langsam resorbierende Medikamente eignet. Solche Substanzen erforderlich, wenn ein Wirkstoff erst nach und nach im Körper freigesetzt werden soll.

Source

Financial Times Deutschland vom 2006-08-09.

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